: Gefangen im eigenen Mikrokosmos
■ Die Hamburger Theater Mafia stellt sich mit ihrer ersten Eigenproduktion, der absurden Komödie Unter der Gürtellinie von Richard Dresser, im Altonaer Theater vor
Wenn Inspektoren etwas besitzen, dann ist es ein klar umrissenes Aufgabenfeld. Ein Inspektor, der nicht weiß, was er inspiziert, hat deshalb ein Problem. Nennen wir es Verlorenheit, nennen wir es Ignoranz, nennen wir es Langeweile. Geschäftige Langeweile, versteht sich, denn Berichte tippen kann man allemal. Und wenn das nicht ausfüllt, fängt man eben eine kleine Schlägerei mit dem Kollegen an.
Richard Dressers Unter der Gürtellinie ist eine schräge Komödie um drei Männer in einem verlassenen Industrieareal am Ende der Welt. Regisseurin Catharina Fleckenstein nimmt die Gruppe als Bild für die Industriegesellschaft an sich: „Die Männer sitzen isoliert im Nirgendwo, gefangen in ihren Neurosen, keiner menschlichen Beziehung fähig. Trotzdem halten sie an den hierarchischen Autoritätsstrukturen fest, was eine absurde Komik provoziert: Hauptsache, die Uhrzeit stimmt.“
Die Figuren des amerikanischen Autors haben einige absurde Beckettsche Züge, und die Welt, in der sie sich bewegen, ist klar eine selbstkonstruierte. Das Bühnenbild von Gabriele Wasmuth deutet das durch einen aufgehängten Rundhorizont an. Nicht naturalistisch, sondern auf einer zweiten, psychologischen Ebene inszeniert die Theater Mafia: Welche der beschriebenen Bedrohungen echt sind, welche nur Projektionen innerer Ängste, ist nicht konkret zu bestimmen.
„Die Männer wurden aus ihrer Heimat in die Wüste versetzt, und dort bleiben sie gefangen im eigenen Mikrokosmos.“Was sie zeigen möchte, so Fleckenstein, ist vor allem, daß die Männer ihrer Versetzung nicht hätten zustimmen müssen: „Sie hatten die Wahl. Man hat immer zwei Möglichkeiten.“
Über Möglichkeiten und Nutzung von Möglichkeiten kann die gerade gegründete Hamburger Theater Mafia einiges erzählen. Catharina Fleckenstein, Mario Holetzeck, Kristian Bader und Michael Ehnert (die beiden letzteren spielen in Unter der Gürtellinie) haben gemeinsam eine Partnerschaftsgesellschaft gegründet, um professionell Freies Theater zu produzieren. In erster Linie geht es um effektive Strukturen: Über eine Zentrale (mit gemeinsame Büro- und Probenraum) lassen sich entscheidende Vermarktungswege besser organisieren. Werbung, Tourneen, Pressearbeit: Alles läuft gebündelt besser. So schon ist die Tatsache, daß sie vom Fischer Verlag die deutschen Erstaufführungsrechte von Dresslers Stück zugesprochen bekamen, ein erster Erfolg der Mafia.
Christiane Kühl
Premiere: Mi, 4. Juni, 20 Uhr, Altonaer Theater
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen