Gefängnis bei GEZ-Beitragsverweigerung: Rundfunkanstalten in der Klemme
Weil er keinen Rundfunkbeitrag zahlt, liegt gegen einen Lübecker ein Haftbefehl vor. Dabei hält die ARD Erzwingungsknast für unverhältnismäßig.
Wegen 350,35 Euro. So viel schuldet Möschl dem Beitragsservice, der Stelle, die für ARD, ZDF und Deutschlandradio die Rundfunkgebühr einzieht. Möschl zahlt sie seit 2015 nicht mehr. Er besitzt keinen Fernseher, hört kein Radio. „Ich sehe nicht ein, warum ich für etwas, das ich nicht nutze, zahlen soll“, sagt er. Eigentlich sollte es Fälle wie Möschl gar nicht mehr geben.
Nachdem Anfang 2016 die Thüringerin Sieglinde Baumert 61 Tage in Haft war, weil sie keine Beiträge gezahlt hatte, hatte die damalige ARD-Vorsitzende, Karola Wille, gesagt, dass Beitragsverweigerer künftig nicht mehr in Haft kommen. Zwangsmaßnahmen im Vollstreckungsverfahren müssten angemessen sein. Nur: Ob die Haft vollstreckt wird, entscheidet nicht die Landesrundfunkanstalt, das bestimmen die Behörden des jeweiligen Bundeslands. Die Landesrundfunkanstalten können höchstens entscheiden, ob ein Haftbefehl verhältnismäßig ist – vorausgesetzt, sie wissen, dass einer ausgestellt wurde.
Zuständig ist in Möschls Fall der NDR. Der verweist auf den Beitragsservice, wie auch die Sprecher der ARD. Der Sprecher des Beitragsservices teilt auf taz-Anfrage schriftlich mit: „Die Grundeinstellung der ARD gilt nach wie vor: Eine Erzwingungshaft im Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag ist in den Augen der Rundfunkanstalten in der Regel nicht verhältnismäßig. Grundsätzlich gilt: Weder ARD noch ZDF, Deutschlandradio oder der Beitragsservice lassen Menschen wegen nicht gezahlter Rundfunkbeiträge verhaften.“ Zum konkreten Fall Möschl könne man aus datenschutzrechtlichen Gründen nichts sagen.
Gerechtes Beitragssystem?
Andreas Möschl ist 40 Jahre alt und betreibt in Lübeck eine kleine Zimmerei. Als der Rundfunkbeitrag noch GEZ hieß und pro Gerät erhoben wurde, zahlte Möschl knapp 50 Euro im Jahr für sein Auto. Als die GEZ auf eine Haushaltsabgabe umgestellt wurde, sollte Möschl 210 Euro für seinen Haushalt plus gut 80 Euro für sein Auto zahlen. Das fand er zu viel und zahlte nicht mehr.
Sprecher des Beitragsservices
Im Juli 2016 pfändet die Stadt Möschls Geschäftskonto. 300,29 Euro standen damals aus, die Stadt zog sie ein und war vorerst bedient. Möschl zahlt trotzdem nicht weiter. Im März 2017 sollte sein Konto wieder gepfändet werden, doch Möschl hatte es vorher geleert. Die Vollstreckungsbehörde hat ihn immer wieder aufgefordert, Auskunft über sein Vermögen zu geben. Dann, vor drei Tagen, kam der Haftbefehl.
Solche Geschichten sind unangenehm, auch für ARD, ZDF und Deutschlandradio selbst. Während der Haft von Sieglinde Baumert bekamen sie wochenlang schlechte Presse. Als 2016 eine alleinerziehende Brandenburgerin in Erzwingungshaft sollte, ebenfalls. Doch die Rundfunkanstalten stecken in der Klemme: Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, das Gremium, das den Rundfunkbeitrag berechnet, übt Druck auf die Landesrundfunkanstalten wie den NDR aus, das säumige Geld einzutreiben. Auch damit das Beitragssystem gerecht bleibt. Würde publik, dass Schuldner davonkommen, dürften immer weniger Menschen zahlen. Und je weniger zahlen, desto teurer wird der Beitrag.
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