: Gefährliche Flüsse
Eine Untersuchung der Deutschen Umwelthilfe zeigt: Viele Bundesländer sind unzureichend auf Jahrhunderthochwasser vorbereitet

Von Raweel Nasir
Mehrere Bundesländer in Deutschland sind nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nur unzureichend auf ein mögliches Jahrhunderthochwasser vorbereitet. Wie aus einer aktuellen Analyse des Umweltverbands hervorgeht, sind insbesondere in bestimmten Regionen hohe Risiken für erhebliche Schäden vorhanden. DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner kritisierte, dass bislang nicht ausreichend Maßnahmen ergriffen worden seien, um potenziell Hunderttausende Betroffene besser zu schützen.
Nach Ansicht der DUH bestehen vor allem im Bereich der Hochwasservorsorge und des Risikomanagements Defizite. Als besonders wirkungsvoll bewertet der Verband naturbasierte Schutzmaßnahmen, wie etwa die Renaturierung von Flussauen. Diese könnten dazu beitragen, Hochwasser besser zu kontrollieren, indem sich das Wasser flächiger verteilen und verzögert abfließen könne. Müller-Kraenner forderte mehr Raum für Gewässer sowie die Rückhaltung von Wasser in Wäldern, Feuchtgebieten und Wiesen.
Auf Grundlage von Daten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherer und der Bundesanstalt für Gewässerkunde hat die DUH einen Hochwasser-Risikograd für jedes Bundesland ermittelt. Dieser ergibt sich aus der potenziell betroffenen Fläche bei einem extremen Hochwasserereignis sowie der Zahl gefährdeter Wohnadressen.
Das höchste Risiko verzeichnet Bayern: Dort könnten über 65.000 Wohnadressen betroffen sein, während sich auf rund 4,25 Prozent der Landesfläche mit erheblichen Auswirkungen auf Menschen, Umwelt, Kulturgüter und Wirtschaft gerechnet wird. In Nordrhein-Westfalen liegt die potenziell betroffene Fläche mit 6,8 Prozent zwar höher, allerdings sind dort mit rund 28.000 deutlich weniger Wohnadressen in Risikogebieten verzeichnet. Weitere Länder mit erhöhtem Risikoanteil sind Brandenburg (6,2 Prozent), Sachsen-Anhalt (5,9 Prozent), Baden-Württemberg (4,7 Prozent) und Hessen (4,6 Prozent). Mecklenburg-Vorpommern weist mit lediglich 0,7 Prozent die geringste Gefährdung der Bundesländer auf.
Die Hochwasser-Risikobewertung der Bundesländer von der DUH sei ein guter und wichtiger Aufschlag, für künftige Folgen der Klimakatastrophe zu sensibilisieren, findet Heinz Smital von Greenpeace: „Es ist ein Unding, dass die größte Herausforderung der Menschheit, das Klima und damit die Lebensgrundlagen zu schützen, von der Politik derart nebensächlich bearbeitet wird.“
Ein besonders eindrückliches Beispiel für die Folgen extremer Hochwasserereignisse ist die Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021. Damals starben in Deutschland über 180 Menschen, allein in Nordrhein-Westfalen waren es 49. Zudem entstanden erhebliche Sachschäden. Laut der Landesregierung in NRW wurden bis heute von rund 12,3 Milliarden Euro an Wiederaufbaumitteln etwa 4,3 Milliarden Euro bewilligt und rund 2,2 Milliarden Euro tatsächlich ausgezahlt.
Von den bewilligten Geldern entfielen etwa 865 Millionen Euro auf den Wiederaufbau privater Wohnhäuser und den Ersatz von Hausrat. Mehr als 98 Prozent der über 27.000 Anträge seien inzwischen abschließend bearbeitet, rund 85 Prozent der Mittel ausgezahlt worden. Für den Wiederaufbau kommunaler Infrastruktur wurden rund 2,8 Milliarden Euro bewilligt, von denen bislang etwa 903 Millionen Euro abgerufen wurden. Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) räumte gegenüber dem WDR Verzögerungen ein, verwies aber auch auf neue Unterstützungsangebote wie die Finanzierung einzelner Bauabschnitte zur Entlastung der Kommunen.
Trotz der umfangreichen Finanzmittel sei nicht davon auszugehen, dass diese vollständig benötigt werden, da mehr Gebäude als angenommen gegen Elementarrisiken versichert gewesen seien. Zudem seien bislang 475 Verdachtsfälle auf Betrug registriert worden, davon 320 nach Bewilligung von Mitteln mit einem Umfang von insgesamt 8,8 Millionen Euro. Die restlichen Fälle wurden vor der Auszahlung erkannt.
Die DUH warnt, dass Jahrhunderthochwasser wegen der Klimakrise künftig deutlich häufiger auftreten könnten.
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