Gedenken an Burak Bektaș: Die Nazis vor Augen
Eine Kundgebung gegen Nazis in Neukölln wird von einer Kundgebung für einen verstorbenen NPDler flankiert. Die Polizei sieht da kein Problem.
Es wird wohl laut werden am Samstagvormittag vor dem Neuköllner Krankenhaus in Britz. Schräg gegenüber der Stelle, wo die „Initiative für die Aufklärung des Mordes Burak Bektaș“ eine Kundgebung angemeldet hat, und zwar unter dem Motto „Nie wieder Nazikundgebungen an Buraks Todesstelle“, hat die Polizei eine ebensolche genehmigt. Wie deren Pressestelle am Freitag der taz bestätigte, hat eine Einzelperson vor der Rudower Str. 54 von zehn bis zwölf Uhr eine Gedenkveranstaltung für den 2009 im Krankenhaus verstorbenen NPD-Kader Jürgen Rieder angemeldet. Die Sprecherin der Burak-Initiative, Helga Seyb, bezeichnete die Genehmigung als „hochgradig unsensibel, gerade wenn man bedenkt, dass der Mörder von Burak aus diesem Spektrum kommen könnte“.
Schon 2015 hatten Nazis am 29. Oktober vor dem Krankenhaus demonstriert. Um eine Wiederholung zu verhindern, meldete die Burak-Initiative laut Seyb im Mai eine eigene Kundgebung an: für einen Gedenkort für Bektaș und als Auftakt zur Aktionswoche „Gedenken und Widerstand – 5 Jahre nach Bekanntwerden des NSU“ (taz berichtete).
Auch Sabine Hammer von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) kritisierte, dass die Polizei die Nazi-Kundgebung nicht zeitlich oder örtlich vom Burak-Gedenken getrennt hat. „Jetzt muss sie dafür sorgen, dass es keine Gelegenheit für die Rechtsextremen gibt, das Gedenken anzugreifen oder auch nur zu stören“ – zumal auch Angehörige von Bektaș erwartet würden.
Eine Polizeisprecherin erklärte, es läge nach Einschätzung der Versammlungsbehörde genug Platz zwischen beiden Kundgebungen. Man werde beide Veranstaltungen wie üblich getrennt betreuen und rechtswidrige Störungen unterbinden. „Aber verbale Auseinandersetzungen, wenn sie nicht beleidigend sind, sind ja in Ordnung.“
Weiter „keine Spur“ vom Mörder
Der damals 22-jährige Burak Bektaș war in der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 gegenüber dem Krankenhaus erschossen, zwei seiner Freunde schwer verletzt worden. Vom Täter haben die Behörden bis heute „keine Spur“. Die Initiative vermutet ein rassistisches Motiv und sieht einen Bezug zum Mord an Luke Holland am 20. September 2015.
Für letzteren wurde im Juli der Neuköllner Rolf Z., wiederholt als Rassist aufgefallen, verurteilt. Sein Name fiel auch im Zuge der Burak-Ermittlungen, die Polizei ließ die Spur aber rasch fallen – nach Ansicht der Initiative zu rasch. Auch deshalb sind für sie die Parallelen zum NSU „mehr als offensichtlich“, schreibt sie auf ihrem Blog.
Am 13. Oktober wurde die Initiative in Hamburg mit dem Hans-Frankenthal-Preis der Stiftung Auschwitz-Kommittee ausgezeichnet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen