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Gedenken an Benno Ohnesorg in Berlin„Ich erwäge eine Entschuldigung“

Berliner Justiz und Politik haben bei der Aufklärung des Mords an Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 Fehler gemacht, gibt Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) zu.

Dirk Behrendt (46, Grüne) seit Dezember 2016 Justizsenator Foto: dpa
Interview von Plutonia Plarre

taz: Herr Behrendt, als Justizsenator haben Sie für Freitag zu einer Veranstaltung zur Erinnerung an den 50. Jahrestag der Demonstration gegen den Schah-Besuch geladen. Was haben Sie vor?

Dirk Behrendt: Ich werde kurz berichten, was damals passiert ist, was die Presse berichtete. Als Zeitzeugen von damals werden Wolfgang Wieland und Gretchen Dutschke-Klotz sprechen.

Warum vor dem Rathaus Schöneberg?

Dort wurde der Schah offiziell empfangen. Und während drinnen im Rathaus zu Mittag gegessen wurde, protestierten draußen die Studenten, es kam zu den Prügelattacken der Jubelperser, die für den Schah demonstriert haben. Mit Stahlruten und Holzlatten sind sie unvermittelt auf die Studenten los. Die Berliner Polizei hat sie gewähren lassen.

Warum tun Sie das?

Ich gucke von meinem Büro direkt auf den Platz, wo das Ganze geschah. Und es war für die Geschichte der Bundesrepublik ein wichtiges Ereignis: der Startschuss für die gesamte 68er Bewegung, die dazu beigetragen hat, die Bundesrepublik zu der offenen, vielfältigen Gesellschaft zu machen, die wir heute sind.

Werden Sie morgen auch eine Erklärung für den Senat abgeben?

Die Justiz hat auch nicht mit Verfolgungseifer geglänzt gegenüber den Savak-Leuten und der Polizei.

Dirk Behrendt, Justizsenator

Ich werde zum Ausdruck bringen, dass es falsch war, die prügelnden Mitarbeiter des Savak, also des persischen Geheimdienstes, und auch die Polizisten, die weggeguckt haben, nicht zur Verantwortung zu ziehen.

Ihr Parteifreund Wieland, selbst ehemaliger Berliner Justizsenator, sagt, drei Dinge seien überfällig: ein Benno-Ohnesorg-Platz, eine Entschädigung für Ohnesorgs Sohn und eine Entschuldigung des Senats dafür, dass Benno Ohnesorg Unrecht geschehen ist.

Die Diskussion verfolge ich mit Interesse, nur hat der Justizsenator nicht über die Umbenennung von Straßen und Plätzen zu entscheiden, sondern die Bezirke. Ich kann das politisch unterstützen, das ist alles. Die Frage der Entschuldigung und der Entschädigung sind Aspekte, über die man nachdenken muss, ja.

Gedenken an Benno Ohnesorg

50 Jahre nach dem tödlichen Polizeischuss auf Benno Ohnesorg wird heute an den Studenten und den Beginn der APO erinnert. Um 13 Uhr wird Justizsenator Behrendt am Rathaus Schöneberg sprechen. Der Verein Berliner Geschichtswerkstatt gedenkt Ohnesorgs um 15 Uhr vor der Deutschen Oper, nahe dem Tatort. An gleicher Stelle werden linke Gruppen ab 21 Uhr demonstrieren; es ist der Startpunkt der Aktionstage gegen den G-20-Gipfel.

Ohnesorgs Sohn Lukas hat eine Entschuldigung und Entschädigung für den Tod seines Vaters gefordert. Der Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Oliver Schruoffeneger, hat angekündigt, den Platz vor der Deutschen Oper nach Ohnesorg zu benennen. (taz, dpa)

Denkt der Senat darüber nach?

Ich denke darüber nach.

Haben Sie im Senat darüber eine Diskussion angeschoben?

Was wir in interner Senatssitzung besprechen, kann und will ich nicht sagen.

Ist am 2. Juni mit einer Senatserklärung zu rechnen?

Das müssen Sie den Regierenden Bürgermeister fragen.

Dass sich ein grüner Justizsenator entschuldigt, wäre keine Überraschung. Die SPD stellte damals mit Wolfgang Büsch den verantwortlichen Innensenator und mit Heinrich Albertz den Regierenden Bürgermeister. Das heißt, Innensenator Geisel und der Regierende müssten in die Spur.

Das ist richtig. Aber die Justiz hat auch nicht mit Verfolgungseifer geglänzt gegenüber den Savak-Leuten und der Polizei.

Ihr Parteifreund Wieland sagt klar: Benno Ohnesorg – das war Mord, der vertuscht wurde. Ist das für Sie auch so klar?

Die Beweise, die in der jüngsten Fernsehdokumentation aufgeführt werden, in der Wolfgang Wieland auch auftritt, erscheinen mir schlüssig …

… ein Knochenstück aus Ohnesorgs Schädel ist verschwunden, Kurras’ Munition hat ein BZ-Reporter zur Seite geschafft…

… die Beweise deuten schon sehr in diese Richtung. Das alles zeigt, dass dieses Kapitel auch 50 Jahre später noch nicht abgeschlossen ist.

Wenn so klar ist, dass es Mord war und massiv vertuscht wurde vom Staat und von der Polizei, ist da eine Entschuldigung des Senats nicht mehr als überfällig?

Es wäre sicherlich besser, wenn man schon vor 30 Jahren eindeutige Erklärungen gehört hätte von denjenigen, die damals Verantwortung getragen haben.

Das ist keine Antwort auf meine Frage.

Dann kommen Sie zu meiner Kundgebung um 13 Uhr am Rathaus Schöneberg.

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1 Kommentar

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  • „Ich erwäge eine Entschuldigung“

     

    Das klingt wie die Erwägung eines Angeklagten darüber, ob "schnell noch ein wenig Reue zeigen" das Strafmaß verringern könnte.

     

    "Einen Fehler machen" suggeriert, versehentlich etwas falsch gemacht zu haben. Planmäßiges Vertuschen fällt nicht unter diese Rubrik. Wenn's aber doch "nur" ein Fehler war, dann liegt der Verdacht nahe, daß unter "Fehler" verstanden wird, nicht gut genug vertuscht zu haben.