Geburtstags-"Schimanski" mit Götz George: Sie nennen es Arbeit
Der Pott, vom Strukturwandel gerüttelt: Götz George gibt Schimanski - und bringt das Relikt zurück ins Revier. "Schicht im Schacht" (So., 20.15 Uhr, ARD)
Nichts geht mehr auf der Rheinbrücke. Die komplette Belegschaft von Krupp Rheinhausen streikt und blockiert, in ganz Duisburg gibt es Solidaritätsveranstaltungen, es ist der Auftakt zu einem der größten und auch zu einem der letzten Arbeitskämpfe in Deutschland: Wie Dokumente einer anderen Ära flackern die Videobilder der stolzen Stahlkocher über den Fernseher des alten Betriebsrats Budarek (Walter Gontermann), der heute ehrenamtlich Führungen durchs Werk organisiert. "1987 war das", sagt er, auf die Streikbilder deutend. "Damals wollte Krupp schließen." Schimanski (Götz George) ist aufrichtig empört: "Warum erzählen Sie mir das? Ich war doch selbst dabei!"
Natürlich war er dabei. Schließlich ist der frühpensionierte Ermittler genau so ein Relikt wie der abservierte alte Stahlkocher. Aber jetzt ist er wieder hier in seinem Revier, und um deutlich zu machen, dass noch mit ihm zu rechnen ist, hat er sich seine Schimanski-Kutte über die zerschlissene Jeansjacke geworfen. Wäre diese "Schimi"-Episode aus den recht brachen Industrieecken des Ruhrpotts moralisch nicht ein wenig unübersichtlich geworden, sie ginge als Eins-a-Rächerkrimi durch. Aber wen soll Schimanski hier schon rächen? Mit Schuld beladen sind sie irgendwie fast alle, die Unglücksraben und Krisengewinnler, die im Umfeld der Stahlwerksruine leben.
Eine Braut wurde einen Tag vor ihrer Hochzeit tot auf dem Fabrikgelände aufgefunden, jemand hat ihr ihren Slip in den Mund gesteckt. Der alte Stahlkocher Budarek fand sie bei einem seiner Rundgänge; seine eigene Tochter war einst Jahre zuvor auf die gleiche Weise ermordet worden.
Der Verdacht konzentriert sich auf drei alte Freunde, die nun nach langer Trennung wieder zusammenkommen. Der eine ist ein Junkie auf Methadon, der andere hat ein Callcenter eröffnet, und der dritte ist Haschischpfeifenverkäufer in Amsterdam. "Wer kann, geht weg. Wer bleibt, gibt auf", heißt es dazu einmal lapidar im Film.
"Schicht im Schacht" (Regie: Thomas Jauch; Buch: Jürgen Werner) beschreibt also das, was man immer ein bisschen euphemistisch den Strukturwandel im Pott nennt, mit einfachsten Worten und Analogien. Zum Beispiel kam das Geld, mit dem einer der Tatverdächtigen sein Callcenter aufgemacht hat, ausgerechnet aus der Kasse der entlassenen Stahlkocher.
Der Jungunternehmer hatte den Malochern also einst den Dienstleistungshimmel versprochen - und führte sie dann doch nur direkt in den Niedriglohnsumpf. Man muss nicht unbedingt einem proletarischen Milieu entstammen, um bei diesem rustikalen Arbeiterabgesang ein paar Tränen zu verdrücken.
CHRISTIAN BUSS
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