Geburten in Pandemie: Bye Bye Babyboom

Viele hatten auf einen durch die Coronapandemie ausgelösten Baby­boom spekuliert. Doch neue Zahlen zeigen, dass es anders kam.

Eine Passantin mit Kinderwagen ueberquert einen Radweg

Der erwartete Baby-Boom wird wohl erst einmal ausbleiben Foto: bildgehege/imago

Im vergangenen Mai kündigte Ikea-Chef Jesper Brodin an, mehr Babyprodukte in den Lagerbestand seines Möbelhauses aufzunehmen. Andere Möbelhäuser, Discounter und Drogeriemärkte sprangen auf den Zug auf – sie alle erwarteten einen durch Corona ausgelösten Baby­boom. Schließlich seien viele heterosexuelle Paare durch die Kontaktbeschränkungen auf engstem Raum eingesperrt. Was anderes sollten sie also tun, als Babys zu zeugen?

Aktuelle Zahlen zeigen nun, dass in vielen Ländern der erwartete Boom ausbleibt, stattdessen gibt es einen starken Rückgang der Geburtenraten in Industrieländern. In Frankreich beispielsweise gab es im Januar 2021 im Vergleich zum Vorjahr knapp 54.000 weniger Neugeborene, das entspricht einem Geburtenrückgang von 13 Prozent. Ähnliche Zahlen verzeichnen auch Italien, Spanien, Großbritannien, USA, Japan oder China. Für Deutschland liegen noch keine verlässlichen Zahlen vor.

Verschiedene Ex­per­t:in­nen hatten schon vor Monaten prognostiziert, dass die Geburtenraten in eher reichen Ländern während der Krise sinken werden. Denn vorherige Krisen haben gezeigt, dass gesundheitliche Sorgen und ökonomische Ängste dafür sorgen können, dass der Kinderwunsch zurückgeht.

Leistungsgesellschaft ohne Hilfsstrukturen

Zu drohenden oder tatsächlichen Jobverlusten in der Krise und der Sorge, mitten in einer Pandemie auf einen Krankenhausaufenthalt angewiesen sein zu müssen, kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu. Der der fehlenden Hilfe.

Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.“ Doch seit Corona gibt es kein Dorf mehr. Eltern sind weitestgehend auf sich allein gestellt, Hilfe aus dem Familien- und Bekanntenkreis bleibt aufgrund von Kontaktbeschränkungen oft aus. Durch geschlossene Kitas und Schulen sowie fehlende Freizeitangebote für Kinder fallen auch staatliche und Vereinsstrukturen weg. Vor allem Mütter leiden daraus folgend unter der Mehrfachbelastung von Homeoffice und Care-Arbeit.

Wenn also in einer Leistungsgesellschaft wichtige Hilfsstrukturen wegfallen, ist es kein Wunder, dass Menschen sich gegen ein Kind entscheiden. Vielleicht erwartet Deutschland in den kommenden Monaten eher eine „Regretting Motherhood“-Debatte als ein Babyboom. Oder, wenn wir Glück haben, eine Revolution.

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