piwik no script img

Geburt mithilfe von Youtube-VideosTabus gefährden Menschenleben

Nur mithilfe von Youtube hat eine 17-Jährige ein Kind in Indien geboren. Offenbar hoffte sie, mit der gefährlichen Aktion Konsequenzen zu entgehen.

Ein neues Gesetz erschwert Abtreibungen in Texas Foto: Michael Reynolds/dpa

Zuhause versteckt in ihrem Kinderzimmer soll eine 17-jährige Inderin ein Kind zur Welt gebracht haben. Angelernt durch Youtube-Videos soll sie die Geburt und das Durchschneiden der Nabelschnur durchgeführt haben, berichtet das englischsprachige Onlinemagazin India-Today. Offenbar aus Angst vor den Konsequenzen dafür, dass sie vor der Ehe Sex hatte – ein Tabu in Indien.

Für sie und ihr Kind ging die Geburt gut aus, sie haben beide überlebt. Ihre Eltern fanden sie blutend und brachten sie in ein Krankenhaus. Doch eine Geburt allein und ohne Unterstützung, nur um kein Tabu zu brechen, kann auch anders enden. Denn Tabus gefährden Menschenleben.

Das zeigt sich auch bei Schwangerschaftsabbrüchen. Nicht nur in Indien ist das ein gesellschaftliches und rechtlich gestütztes Tabu, das Schwangere daran hindert, sich rechtzeitig Hilfe zu holen und sie letztlich in weitere Gefahr bringt. Auch in Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche noch immer illegal und bis zur 12. Schwangerschaftswoche lediglich straffrei. Und der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen wird in vielen Ländern immer mehr erschwert, zuletzt haben die US-Staaten Mississippi und Texas ihre Gesetze diesbezüglich verschärft – was quasi einem Abtreibungsverbot gleichkommt.

Es ist unklar, wie viele Schwangere unsicher abtreiben

Das Tabu bringt Schwangere dazu, selbst abzutreiben. Das ist für sie gefährlich, verglichen mit einer Abtreibung unter medizinischer Aufsicht. Im schlimmsten Fall sterben die Betroffenen bei dem Versuch. Wie viele Schwangere das betrifft, ist unklar, denn die Selbstabtreibung ist ebenso ein Tabu, entsprechend gibt es keine validen Daten dafür, wie die WHO beklagt. Doch klar ist: Je restriktiver die Gesetze in einem Land sind, desto mehr illegale Abtreibungen finden statt.

Probleme durch Tabus betreffen aber nicht nur ungewollt Schwangere: Viele Krankheiten führen zu ähnlichen Problemen. Betroffene sprechen nicht über Symptome, verheimlichen Schmerzen oder suchen sich keine medizinische Hilfe.

Wer durch Tabuisierungen allein gelassen wird, greift zu Maßnahmen, die für Außenstehende nicht begreifbar sind. Sie begeben sich in Gefahr, wie die 17-Jährige aus Indien, die lieber zu Hause bleibt und im Internet nach einem Ausweg sucht – anstatt sich die medizinische Hilfe zu suchen, die sie als Schwangere verdient.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare