Geberkonferenz für Afghanistan: Globales Armdrücken und kaum Hilfe
Die Konferenzen zu Afghanistan in China sollten eigentlich dem Land helfen. Stattdessen wurde um den strategischen Einfluss über das Land geschachert.
E in verbreitetes Bonmot lautet, China habe keine Außen-, sondern nur eine Wirtschaftspolitik, die vor allem externe strategische Rohstoffquellen erschließen solle. Dass die Führung in Peking auch reine Außenpolitik macht, zeigen die internationalen Treffen in Tunxi, mit denen sie sich derzeit als internationaler Chefdirigent in Sachen Afghanistan inszeniert.
Zwar geht es dabei auch um Rohstoffe. Peking bot den ebenfalls eingeladenen Taliban an, ihr Land, nun, da der Krieg dort vorüber ist, über Pakistan an seine eurasische Road-and-Belt-Initiative anzuschließen. So käme man auch an eines der weltgrößten, unerschlossenen Kupfervorkommen nahe Kabul. Dafür erwarben chinesische Staatsfirmen schon die Konzession, konnten das Projekt wegen des Krieges aber nicht umsetzen.
Das war schon damals den Amerikanern ein Dorn im Auge, da sie – vergebens – erwartet hatten, die von ihnen gestützte Regierung in Kabul würde US-Firmen präferieren. Haben nun wieder die Chinesen die Nase vorn, wäre das für Peking ein wirtschafts- wie außenpolitischer Sieg. Die Führung in Peking will die USA auch generell weiter aus der Region drängen. Dafür nutzt sie den beträchtlich größeren Spielraum nach dem nicht nur militärischen Abzug der USA aus Afghanistan sowie Präsident Bidens ostentatives Desinteresse am weiteren Schicksal der 34 Millionen Menschen dort.
Sie will die internationale Initiative für Afghanistan in die von ihr (so jedenfalls der Plan) dominierte Region ziehen und so ein Thema besetzen, das seit dem sowjetischen Einmarsch 1979 weit oben auf der Aufmerksamkeitsskala der Weltpolitik stand. Wenn auch abgeschwächt, wird das auch weiter so sein, nicht zuletzt, weil Länder wie China und Russland – trotz pragmatisch-guter Beziehungen zu den Taliban – die Furcht schüren, sie könnten dschihadistischen Terrorgruppen Freiraum gewähren.
Im Rahmen der in Tunxi erneut beschworenen strategischen Allianz mit Russland kann sich Peking dabei der Unterstützung des Duos Putin-Lawrow sicher sein. Allerdings liegt der Schlüssel zur Entwicklungsfinanzierung und damit einer langfristigen Stabilisierung Afghanistans weiter bei der US-Regierung. Sie dominiert die internationalen Finanzorganisationen und hat die afghanischen Auslandsguthaben eingefroren, um sie den Taliban zu entziehen. Damit löste Biden eine Wirtschaftskrise aus, die fast alle Afghan:innen, die bisher noch nicht unter der Armutsgrenze lebten, ebenfalls dorthin stieß.
China aber zeigte sich bisher über etwas humanitäre Hilfe hinaus noch nicht Willens, auch die von den USA gerissene Finanzlücke zu schließen. Insofern helfen die Treffen in Tunxi den Afghan:innen aktuell wenig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen