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Gay Pride mit türkischer Unterstützung„Aus der Deckung trauen“

Am diesjährigen Christopher Street Day nimmt erstmals auch die türkische Gemeinde Hamburg teil. Deren Vorsitzende will für Toleranz werben.

In diesem Jahr demonstriert die türkische Gemeinde mit: CSD in Hamburg Foto: Daniel Bockwoldt/DPA
Katharina Schipkowski
Interview von Katharina Schipkowski

taz: Frau Güçlü, die türkische Gemeinde Hamburg nimmt dieses Jahr zum ersten Mal am Christopher Street Day teil. Wie kam es zu der Entscheidung?

Nebahat Güclü: Das ist das Ergebnis eines langen Prozesses. Schon 2013 gab es den ersten Versuch vom Vorstand, das durchzubekommen. Damals gab es aber keine Mehrheit. Es wurde dann aber in den einzelnen 27 Vereinen, die bei uns Mitglied sind, immer wieder diskutiert. Und dieses Mal gab es eine eindeutige Mehrheit dafür, das aktiv zu unterstützen.

Was bezwecken Sie mit der Teilnahme?

Uns ist es wichtig, in beide Richtungen ein Signal zu senden: Einmal an die Gesellschaft, die Türkeistämmige immer als rückschrittlich wahrnimmt. Wir wollen zeigen, dass es uns ein Anliegen ist, uns Diskriminierung aller Art entgegenzustellen. Und zu sagen: „Wir fordern Toleranz gegenüber allen Lebensentwürfen.“

Und in Richtung der eigenen Community?

Nach innen ist es das Signal, Werte und Leitbilder vorzuleben. Das ist auch die Aufgabe eines Vorstands. Das ist wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen – es braucht einzelne Mutige, die einen Schritt vorwärts wagen, und dadurch Diskussionsprozesse in den einzelnen Vereinen anstoßen. Ich denke, das ist erreicht worden.

Welche Reaktionen gab es aus der türkischen Community?

Es gibt bisher einzelne Reaktionen aus beiden Richtungen – also einerseits Stimmen, die sagen „Habt ihr nichts Besseres zu tun“, oder „Habt ihr sie nicht alle?“. Aber es gibt auch andere, die sagen, sie finden es sehr gut, dass wir als Vorstand diesen Schritt gemacht haben. Und mich haben auch Schwule aus der Community angerufen, die uns beglückwünscht haben und gesagt haben, dass sie auf jeden Fall beim Umzug mitlaufen werden, sich also aus der Deckung trauen.

Bild: DPA
Im Interview: Nebahat Güçlü

50, ist Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Hamburg. Darüber hinaus ist sie fraktionslose Abgeordnete der Bürgerschaft.

Wie groß ist überhaupt die Gay-Lesbian-Community innerhalb der türkischen Gemeinden?

Das ist schwierig zu sagen. Insgesamt gibt es, glaube ich, hamburgweit mehr, als sichtbar sind. Aber ich finde, es geht da nicht um eine quantitative Erfassung, sondern um eine Grundhaltung. Zu einer diversen Gesellschaft gehört, dass man alle Lebensentwürfe respektiert und die Vielfalt als Wert hochstellt.

Was ist der konkrete Nutzen für türkische Schwule und Lesben?

Es bringt den einzelnen Communities viel, weil die Diskussion in Gange kommt und das Thema nicht mehr tabuisiert wird. Und den Schwulen und Lesben selbst bringt es, dass sie sich raus wagen, sich nicht mehr in der Deckung halten müssen, ihre Stimme erheben können.

Ist das auch ein Signal an die Türkei?

Nein. Wir machen ja keine Außenpolitik. Als Hamburger In­stitution kümmern wir uns um Hamburger Themen.

Wie hat die nicht-türkische Gay-Community reagiert?

Sehr positiv. Ich habe auch aus Berlin, Köln und Dortmund Reaktionen bekommen, die haben das alle sehr begrüßt.

Gibt es eine deutschlandweite Vernetzung?

Wir haben Kontakte zu Verbänden der Berliner migrantischen Schwulen und Lesben-Szene. Da sind wir in engen Gesprächen und gucken, ob wir gemeinsame Projekte machen können. Es gibt ja auch den Bundesdachverband der türkischen Gemeinden Deutschland. In Baden-Württemberg macht beispielsweise die türkische Gemeinde schon seit einem Jahr ein Queer-Projekt. In diese Richtung wollen wir auch in Hamburg gehen.

Was ist konkret geplant?

Ideal wäre es, wenn es uns gelingt, in den nächsten Jahren ein Projekt zu machen, wo Schwule, Lesben und Transgender in den Migranten-Communities beraten werden. Also ein Angebot für Familienangehörige oder Betroffene selbst, die beim Coming-Out beraten werden. Wir wollen das Thema in unterschiedlichen Formaten angehen. Es ist uns wichtig, die Menschen abzuholen, wo sie stehen, aber auch mit dem Thema zu konfrontieren. Es wird nicht bei der Teilnahme am CSD bleiben.

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