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Gauck soll Gesetze nicht unterschreibenVerfassungsgericht will sich einlesen

Das Verfassungsgericht will sich auf mögliche Klagen gegen den ESM und den Fiskalpakt vorbereiten. Die Richter baten nun Bundespräsident Gauck, die Gesetze nicht zu unterschreiben.

Braucht noch Zeit: Bundesverfassungsgericht. Bild: dpa

KARLSRUHE/BERLIN afp | Das Bundesverfassungsgericht hat Bundespräsident Joachim Gauck um Aufschub bei der Unterzeichnung des Gesetzes zum Fiskalpakt und Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) gebeten.

Die Verschiebung um etwa zwei bis drei Wochen sei nötig, um einen von der Linken angekündigten Antrag auf Einstweilige Anordnung gegen das Vertragswerk prüfen zu können, teilte eine Gerichtssprecherin am Donnerstag in Karlsruhe mit. Damit könnte der ESM nicht wie geplant zum 1. Juli in Kraft treten.

Der Fiskalpakt und der ESM sollen Ende kommender Woche im Bundestag beschlossen werden. Damit die Gesetze in Kraft treten können und völkerrechtlich verbindlich werden, muss sie der Bundespräsident unterzeichnen. Karlsruhe geht der Sprecherin zufolge davon aus, dass Gauck der Bitte entsprechen wird. Einen ähnlichen Aufschub habe es auch bei Eilklagen gegen die Ratifizierung der Verträge zur Griechenlandhilfe und den Euro-Rettungsschirm gegeben.

Die Linke hatte die Klage angekündigt, um damit die Unterzeichnung der Gesetze durch Gauck hinauszuzögern. „Denn mit der Unterschrift des Präsidenten und der ordnungsgemäßen Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden ist das Ratifizierungsverfahren abgeschlossen“, sagte der Justiziar der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic. Und durch die Ratifizierung würden die Gesetze völkerrechtlich bindend.

Die jetzt zu erwartende Verzögerung stellt nach Ansicht Neskovics aber keine Beeinträchtigung der Hilfe für die Krisenländer dar. Denn bislang stünden noch Gelder aus dem vorläufigen Rettungsfonds EFSF zur Verfügung. Für die Linke geht es bei der Klage auch um die Unabhängigkeit der Politik gegenüber den Finanzmärkten. „Die Frage ist: Schaffen wir uns eine marktkonforme Demokratie oder einen demokratiekonformen Markt“, sagte Neskovic.

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5 Kommentare

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  • V
    Volksverdummung

    @Maria: Bravo und DANKE.

    Du bist eine echte VERFASSUNGSSCHÜTZERIN!

    .

    @Bürger! Stimmlose! Ja, auch arme, Bankangestellte! Demokraten ohne und mit Trauschein!

     

    1. Die Etablierten, insbesondere die "Politkarrieristen" fürchten VERÄNDERUNGEN des Finanzsystems.

    "Schiss" vor der Einführung einer poppeligen "Finanztransaktionssteuer", die vor allem zielgerichtet den HIGH-FREQUENZE-Handel (daytrading) belasten würde?

    Nee, wohl eher "Schiss" vor persönlichen Konsequenzen und einem Karriereknick (Angst vor der Übernahme v. politischer VERANTWORTUNG)!

    .

    Diejenigen Profiteure des Finanzsystems, die auch als PARTEIENFINANZIERER unterwegs sind (politische Landschaftsgärtner) drohen mit Liebes- und Bargeldentzug (Lobbyschmutzarbeit).

    .

    2. Nur das BUNDESVERFASSUNGSGERICHT scheint sich noch ernsthaft um die Belange der ALLGEMEINHEIT kümmern zu wollen!

    Gut, dass da der Klüngel nicht eingerissen scheint!

     

    Das BVerfG...

    ...möchte sich tatsächlich mit den KONSEQUENZEN dieses Ermächtigungsgesetzes befassen (das haben die Abgeordneten unserer STAATSPARTEIEN bisher überwiegend versäumt - ein schönes Parlament!). "Nicht zu fassen...", denkt sich Dezisionist Schäuble, und verliert auch gleich die Contenuance, ganz im Gegensatz zum präsidialen "Unterschriftenautomaten", dem man diese "Wendigkeit" kaum zugetraut hätte (er habe einer "Bitte" des BVerfG entsprochen -grins)...

     

    3. Das BVerfG; die letzte institutionelle (!) Verteidigungslinie der DEMOKRATEN in dieser "Banco-Republik", in der die GELD- und Finanzpolitik von ANTIDEMOKRATEN flugs zur Geheimsache, oder zur Systemfrage erklärt wird!

     

    Dieses GERICHT braucht JETZT wirklich etwas öffentliche Unterstützung durch die Bürger, FÜR DIE es wirkt!

    Leute macht "Wind", zeigt dass IHR NOCH LEBT; es geht um die ZUKUNFT EURER luftigen GELDBEUTEL und ebenso um die ZUKUNFT DES BANKENSYSTEMS samt a l l e n Dingen, die immer noch vom Staat steuerfinanziert werden müssen!

    WER soll das -ohne die ESM-Tribute- noch zahlen können???

    .

    HESSE

    .

  • W
    Weinberg

    Das Bundesverfassungsgericht ist ganz offensichtlich in seinem (neuen) Element und die Große CDU/CSU-SPD-GRÜNEN-FDP-Koalition und Bundes-Gauck kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

     

    Wolfgang Neskovic, parteiloses Mitglied der Linksfraktion und ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, wird mit seiner Fraktion noch für manche (böse) Überraschung gut sein. Und das ist auch (im Interesse von Deutschland und der Europäischen Union) gut so!

     

    Im Gegensatz dazu ist die von Steinmeier, Trittin und Konsorten betriebene EU-Finanz- und -Wirtschaftspolitik mehr als jämmerlich. Und diese Merkel-willfährigen Amateure wollen sich anschicken, die nächste Bundesregierung zu stellen?

  • CW
    Christian Wernecke

    Lob und Anerkennung für DIE LINKEN. Sie zeigen als einzige Partei Profil in dieser Frage.

  • M
    Maria

    Wenn die Linkspartei nicht wäre, würde man in unserem Land vollkommen verblöden angesichts der Einheitsmeinung der Blockflöten-Parteien cDU,SPD,FDP und GRÜNE, die letztlich alle dafür sind, mit dem Fiskalpakt und dem ESM in Deutschland die Demokratie abzuschaffen.

     

    Jetzt wissen wir auch wieso BILD und Co Herrn Wulff aus dem Amt gemobbt haben: Es ging nicht um seine lächerlichen, nicht justizablen Kredit- und Hotel-update-Geschichten - er war den herrschenden Kreisen schlicht zu bankenkritisch.

     

    Diese Gefahr besteht beim neoliberalen Bundespräsidenten Herrn Gauck, den wir SPD und Grünen zu "verdanken" haben, nicht. Gauck wird am Ende alles unterschreiben, was Schwarz-Rot will. Für ihn sind die occupy-Proteste nämlich bekanntermaßen "albern". Die hunderte Millionen Euro Steuergelder der deutschen BürgerInnen ohne Bedingungen den fröhlich weiter zockenden BANKEN in den Rachen zu werfen, DIE AN DER FINANZKRISE SCHULD SIND, finden alle o.k. außer eben der Linkspartei.

     

    Es ist Wahnsinn: Die Demokratie in Deutschland wird abgeschafft und nur eine Partei ist dagegen und klagt vor dem Bundesverfassungsgericht.

     

    Und über diese Revolution "von oben" findet noch nicht mal eine breite kritsche gesellschaftliche Debatte statt, da die Medien faktisch fast alle gleichgeschaltet sind.

     

    Aus der deutschen geschichte wurde aber auch nichts gelernt!

     

    Ich fürchte: Wenn dann die Verarmung auch in Deutschland so ausufert wie heute bereits in Griechenland durch diese idiotische Austeritätspolitk/Sparpolitik, - dann haben die Rechten wieder ihre Chance in Deutschland.

     

    "Wehret den Anfängen" - ein schöner Spruch. Die Deutschen haben offenbar nichts gelernt aus ihrer Geschichte. Bei den Weichenstellungen (wie jetzt mit Fiskalpakt und ESM) muss massiver Protest in der Bevölkerung einsetzen! Und vor allem auch in der Opposition im Bundestag. Aber SPD und Grüne sind politisch gar keine Oppositionsparteien.

  • V
    viccy

    Bravo, Verfassungsgericht und Dank an die Linkspartei. Wer will nun noch ernsthaft behaupten, diese Partei sei überflüssig?