Gastkommentar: Hos geldin Integration!*
■ Ist der Begriff der „Multikulturellen Gesellschaft“ noch realitätsnah?
Jetzt taucht plötzlich eine neue politische Diskussion wie Phönix aus der Asche: Neben dem heftig diskutierten und kritisierten Merzschen Begriff der „Leitkultur“ sprechen andere von einer deutschen „Leidkultur“, während Dritte den Begriff der „Multikulturellen Gesellschaft“ durch den Begriff des „Verfassungspatriotismus“ ersetzen möchten.
Wer hat denn nun Recht? Ist die „Multikulturelle Gesellschaft“ nicht lediglich die Beschreibung einer Ist-Situation? Das Zusammenleben von Menschen verschiedener Sprachen, Lebensstile und Herkünfte in einer, der hiesigen deutschen Gesellschaft?
Der Begriff greift insofern zu kurz, als er wörtlich genommen nur auf die kulturelle Vielfalt verweist, nicht aber auf die eigentliche Problematik: Die diskriminierenden Strukturen, die rechtliche Ungleichheit unter den MigrantInnen (mit sieben verschiedenen Aufenthalts- und Duldungsformen), die fehlende Akzeptanz von Einwanderung bis hin zum Rassismus. Als normativer Begriff eignet er sich tatsächlich nicht, geht es doch nicht um das Nebeneinander von „Kulturen“, sondern um die Auseinandersetzung über die Gestaltung der Gesellschaft, um soziale Positionen, Macht und Rechte.
Streiten wir also nicht über die „Multikulturelle Gesellschaft“, reden wir lieber von der Integration der Gesellschaft und werden wir endlich konkret. Die Verfassung garantiert den kulturellen Pluralismus, nicht etwa die Einheitlichkeit einer wie immer gearteten „deutschen Kultur“. Wir brauchen eine konstruktive politische Diskussion unter Beteiligung der EinwanderInnen, wir brauchen eine Integrationspolitik – und Leitlinien dafür – auch in Hamburg. Wenn wir diese Diskussionsbereitschaft als „Verfassungspatriotismus“ bezeichnen wollen: Gern. Ursula Neumann
Ausländerbeauftragte des Hamburger Senates
* türkisch für: Willkommen, Integration!
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