Gastkommentar EU-Verteidigungspolitik: Der kleine, aber feine Unterschied
Merkel und Macron fordern beide eine gemeinsame europäische Armee. Damit meinen sie aber längst nicht das Gleiche.
A ngela Merkel hat vergangene Woche im Europäischen Parlament eine „echte europäische Armee“ befürwortet. Ihre Äußerung ist zugleich Zustimmung und Ablehnung gegenüber dem Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der ebenfalls eine gemeinsame Armee Europas fordert.
Merkel betonte zwei Dinge: Die europäische Armee sei ein Ziel auf lange Sicht und könne dazu führen, dass Europa mehr Verantwortung für seine Sicherheit übernehmen kann, wenn die Europäer ihr Geld effizienter ausgeben und Waffensysteme gemeinsam bauen.
Ein hehres Ziel, aber keineswegs ein Selbstläufer. Eine solche Armee stehe außerdem nicht in Konkurrenz zur Nato, sondern stelle eine Ergänzung dar. Merkels Vision lautet also: Eine europäische Armee als Beitrag zur Nato und als Gegengewicht zu Washington in der Nato.
Macron zielt auf etwas anderes. Er will Europas Fähigkeit zu unabhängigem militärischen Handeln stärken und hat deshalb einen Zwischenschritt vorgeschlagen: eine Art schneller Eingreiftruppe, gestellt von einer Koalition der Willigen in Europa, die außerhalb der Nato und der EU-Strukturen aufgebaut werden soll. Großbritannien soll dabei sein, auch wenn es die EU demnächst verlässt. Diesen Zwischenschritt Macrons erwähnte Merkel mit keinem Wort.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).
Auch Macrons langfristiges Ziel scheint ein anderes. Er hält europäische Streitkräfte für erforderlich, um Europas Verteidigungsfähigkeit auch dann zu gewährleisten, wenn die USA unter Präsidenten wie Donald Trump unzuverlässiger werden. Damit greift seine europäische Armee aber in den Kernzuständigkeitsbereich ein, die die Nato für sich reklamiert: die kollektive Verteidigung der Bündnisgrenzen.
Wenn zwei dasselbe sagen, meinen sie also noch lange nicht dasselbe. Die Vision einer europäischen Armee könnte noch lange das bleiben, was sie bereits seit Jahrzehnten ist: eine Zukunftshoffnung, die an den unterschiedlichen nationalen Vorstellungen in Europa scheitert.
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