piwik no script img

Gastgeber Kamerun beim Afrika-CupHüpfen in der Ferne

Beim Afrika-Cup in Kamerun wird deutlich mehr auf den Straßen als in den Stadien gefeiert. Das hat nicht nur mit den Ticketpreisen und Corona zu tun.

Kameruns Nouhou Tolo vor zumindest halbwegs vollen Rängen gegen Kap Verde Foto: Sebastian Frej/imago

Yaoundé taz | Dass ich zu den wenigen gehöre, die das Privileg haben, die Spiele live sehen zu dürfen, macht mich stolz“, sagt Sylvie Mvondo. Die Kamerunerin besucht derzeit beim Afrika-Cup die Spiele der „Unbezähmbaren Löwen“, wie die Nationalelf Kameruns heißt. Ins Stadion geht sie, weil nichts das Erlebnis im Stadion übertrifft, wie sie sagt. Deshalb nimmt Mvondo Unannehmlichkeiten in Kauf. „Wir müssen uns alle impfen lassen, um die Nation zu retten und unsere Mannschaft zum Erfolg zu führen.“

Jules Ngong ist auch Fan, geht aber nicht ins Stadion. Er verfolgt die Unbezähmbaren Löwen in der Fanmeile. „Wir sind dabei, dieses Turnier zu gewinnen. Wir sind bisher einfach die beste Mannschaft“, sagt er. Gerade hat er in einem Fanpark in der Hauptstadt Yaoundé das Spiel Kameruns gegen Kap Verde gesehen. Das 1:1-Unentschieden bedeutet zwar, dass der Gastgeber nicht mit einer reinen Siegbilanz weiterkommt. Aber der Gruppensieg steht fest, Kapitän Vincent Aboubakar ist der bislang beste Spieler des Turniers, und die Aussichten Kameruns, das Turnier zum ersten Mal seit 2017 zu gewinnen, stehen nicht schlecht.

Einige der Separatisten­führer haben damit gedroht, den Afrika-Cup zu stören

Entsprechend gut ist die Stimmung in Yaoundé. In die Fanmeile kommen mehr Menschen als in die Stadien des Landes, denn beim Public Viewing gelten lockere Vorschriften. Eine Maske genügt, keine weiteren Nachweise. Die Stadien in Bafossaum, in der Handelshauptstadt Douala, Garoua, Limbé und Yaoundé sind während des Afrika-Cups schlecht besucht, auf den Fanmeilen herrscht jedoch Karnevalsstimmung. Tausende Menschen, oft in den grünen Farben des Nationalteams gekleidet, hüpfen nach Toren im Takt. Sie hüpfen nach jedem Tor, auch nach denen der gegnerischen Mannschaft.

Die leeren Stadien gelten vielen Menschen in Kamerun als Schandfleck. Nur wenn der Gastgeber spielt, sind sie halbwegs voll. Dabei wurden die Stadien extra für dieses größte Fußballspektakel des Kontinents gebaut. Viele halten sie für architektonische Meisterwerke.

Anschläge islamistischer Gruppen

Gründe sind die Ticketpreise, die zwischen umgerechnet 5 und 30 Euro liegen, der Bürgerkrieg, der das Land heimsucht, in dem Separatisten einen eigenen englischsprachigen Staat fordern. Dazu kommen die Anschläge islamistischer Gruppen, die vom westlichen Nachbarn Nigeria aus operieren. Und natürlich Covid-19.

Kamerun gilt für die deutsche Bundesregierung als Hochrisikogebiet. Die Behörden berichteten zuletzt von 109.666 bestätigten Fällen seit Beginn der Pandemie und 1.853 Toten. Fans, die zu einem der sechs Spielorte möchten, müssen einen Impfnachweis und einen negativen Test vorlegen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind nur etwas mehr als 2 Prozent der kamerunischen Bevölkerung geimpft, das sind knapp 600.000 Menschen. Da fällt es schwer, die Stadien voll zu bekommen, zumal die Organisatoren die Auslastung der Stadien auf 60 bis 80 Prozent reduziert haben.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Auch die von Kameruns Regierung verhängten Reisebeschränkungen dürften etliche auswärtige Fans abgeschreckt haben. Das Testprogramm an den Grenzübergängen wurde mit Beginn des Afrika-Cups noch einmal ausgebaut. Während in Yaoundé die Atmosphäre von der Covid-Pandemie geprägt ist, befindet sich das im Südwesten gelegene Limbé im Epizentrum der Gewalt zwischen den Regierungstruppen und bewaffneten Separatistengruppen, die die Unabhängigkeit anstreben. Einige Separatistenführer und -aktivisten haben gedroht, den Afrika-Cup zu stören, wenn die Behörden die zur Beilegung der Krise stationierten Truppen nicht abziehen. In diesem Falle wollten sie die dort gelegenen Teamquartiere angreifen: die von Gambia, Mali, Mauretanien und Tunesien.

Eine der Separatistengruppen hat sich zu einer Bombenexplosion im Dezember bekannt, bei der mehrere Menschen verletzt wurden. Der Bürgerkrieg, der seit drei Jahren tobt, hat rund 4.000 Zivilisten das Leben gekostet und 700.000 Menschen in die Flucht getrieben. Auch deswegen bleiben die Stadien leer. „Die Fans hier gehen kein Risiko ein“, erklärt ein Kommunalpolitiker. Bislang wurden keine Zwischenfälle während des Turniers gemeldet.

Ilaria Allegrozzi von der NGO Human Rights Watch sagt: „Die kamerunischen Behörden sind dafür verantwortlich, die teilnehmenden Mannschaften, Funktionäre und Fans vor Schaden zu bewahren und Maßnahmen zu ergreifen, um Angriffe im Vorfeld und während des Afrika-Cups zu verhindern.“ Ob die Regierung das leisten kann, bleibt offen. Bislang, sagt Allegrozzi, war die Regierung oft nicht dazu in der Lage. Die Regierung von Staatspräsident Paul Biya, der vorgeworfen wird, die Region zu vernachlässigen und Wahlen manipuliert zu haben, hat wegen des Turniers mehr Truppen entsandt. In den letzten Tagen wurde eine deutliche Zunahme der Patrouillen festgestellt.

Das liegt nicht nur an den Aktivitäten der Separatisten. Die Regierungstruppen sind auch wegen möglicher Angriffe der Boko Haram alarmiert. Die islamistische Organisation sitzt im Nachbarland Nigeria und hat seit 2009 immer wieder Ziele in Kamerun angegriffen. Allerdings gilt sie seit einigen Monaten wegen interner Auseinandersetzungen als geschwächt.

Ob das Turnier als Erfolg gewertet wird, hängt sehr vom Abschneiden Kameruns ab. Sportjournalist Luc Adoum sagt: „Wenn wir das Finale nicht erreichen, wäre das katastrophal.“ Das Endspiel findet am 6. Februar im Olembe-Stadion in Yaoundé statt. „Ein Finale ohne den Gastgeber würde bedeuten, dass das Spiel vor leeren Rängen ausgetragen wird“, sagt Adoum. „Als ob es hinter verschlossenen Türen stattfindet.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Sehr ungenügend geht der Artikel auf den seit Jahren andauernden Konflikt in der anglophonen Region ein, den die Regierung mit dem seit über 30 Jahre herrschenden Präsident Paul Biya nach Jahren erfolgloser zivilgesellschaftlicher Bemühungen der regionalen Akteure hat eskalieren lassen, mit massiven staatlichen Menschenrechtsverletzungen schon vor Ausbruch der gewaltsamen Auseinandersetzungen. Einzelne staatliche und nicht-staatliche Akteure u.a. in Europa, den USA und auch in Deutschland bemühen sich seit Jahren, zu einer friedlichen Lösung des Konflikts beizutragen, der Druck und auch die Aufmerksamkeit ist hier jedoch noch zu gering. Als ehemalige Kolonialherren stehen hier Deutschland, Großbritannien und Frankreich in einer besonderen Verantwortung.



    Zum Afrika-Cup haben u.a. MISEREOR und Brot für die Welt mit ihren Partnerorganisationen aus der kamerunischen Zivilgesellschaft auf die schweren Menschenrechtsverletzungen aufmerksam gemacht: brennpunktkamerun....ka-cup-in-kamerun/



    Ein taz-Artikel zum Afrika-Cup sollte hier mindestens ein Stück weit ausführlicher und regierungskritischer zu dem Konflikt berichten.