Garmisch-Partenkirchen nach Olympia-Aus: Der Berg ruht
Es ging bis hin zur Morddrohung: In Garmisch-Partenkirchen hatten sich Parteien, Freunde, Familien zerstritten - wegen Olympia 2018. Nach der IOC-Entscheidung atmen viele auf.
GARMISCH-PARTENKIRCHEN taz | Um 22 Uhr leuchten die Freudenfeuer. Eines an der Kramerspitz und eines in Form eines Smileys am Tröglhang auf der berühmten Kandahar-Skipiste. Bergfeuer gibt es in Garmisch-Partenkirchen normalerweise nur an hohen Feiertagen - sie sind eine schwierige Angelegenheit: Erst Brennholzsuche, dann stundenlanges Kraxeln mit anschließender Nachwache. "Die Zeichen hat jeder verstanden, die Olympiagegner freuen sich", sagt die Vorsitzende der CSU-Fraktion, Elisabeth Koch, als sie die Feuer sieht.
München und damit auch Garmisch-Partenkirchen werden die Olympischen Winterspiele 2018 nicht ausrichten, das hatte das Internationale Olympische Komitee am Mittwoch um 17.18 Uhr deutscher Zeit in Südafrika entschieden. Schaute man danach auf die Internetseiten deutscher Medien, konnte leicht der Eindruck entstehen, das ganze Land trauere wegen dieser Entscheidung. Doch in Garmisch atmen viele auf.
Denn die Olympia-Bewerbung hat den Ort gespalten. Die CDU-Politikerin Koch ist dafür ein gutes Beispiel. Ihre eigene Fraktion war uneins, sie selbst hat im Gemeinderat einmal gegen und einmal für Olympia gestimmt. Selbst Stunden nach der Entscheidung wirkt Koch noch erleichtert - erleichtert, dass alles vorbei ist. So geht es vielen Menschen in Garmisch-Partenkirchen, die Bewerbung hat an den Nerven aller gezerrt. Erst die Grundstücksstreitigkeiten, der sogenannte Bauernaufstand, dann der erbitterte Kampf der beiden Lager vor dem Bürgerentscheid im Mai - bis Mittwoch ging ein tiefer Riss durch den Ort: Jahrzehntelange Stammtische fielen dem Olympiatraum zum Opfer, Schulfreunde wechselten auf einmal kein Wort mehr miteinander, vereinzelt gab es sogar Morddrohungen.
Erst oamoi soll a Ruh einkehren
Am Mittwochabend sind vereinzelt die ersten Versöhnungsszenen zu beobachten. Oft in Tracht und mit obligatorischem Weißbier sitzen die Menschen im Freien zusammen und diskutierten über die Olympiaentscheidung. Zwei Punkte sind immer wieder zu hören: Zum einen sind viele froh, dass die Olympiaentscheidung so deutlich ausgefallen ist und Garmisch-Partenkirchen nicht als Buhmann für die Niederlage gilt. Zum anderen sehen viele eine erneute Bewerbung für mögliche Spiele 2022 eher skeptisch: "Erst oamoi soll a Ruh einkehren", war ein oft gesprochener Satz an diesem Abend.
Etwas andere Stimmung herrscht im Wirthaus Mohrenplatz: Der Bayerische Rundfunk sendete ab 20 Uhr 45 Minuten live die Sendung "Bürgerforum". Nur schwerlich füllt sich der Saal im ersten Stock - anscheinend haben die Einheimischen auch ein bisschen die Medien satt. So diskutieren mehr die vom BR eingeladenen Gäste, der Langläufer Peter Schlickenrieder vom Tegernsee und Erich Kühnhackl, "der Kleiderschrank auf Kufen". Speziell Schlickenrieder wirbt mit Pathos für eine erneute Bewerbung um Olympische Spiele. "Von meiner olympischen Medaille zehre ich noch heute. Wir müssen die Niederlage jetzt sportlich nehmen, aufstehen und uns noch einmal bewerben."
Ein paar Leute stimmen Schlickenrieder zu, ein Gastwirt aus dem Ort spricht von einer historischen Chance, die Spiele 2022 zu bekommen. Doch wirkliche Euphorie kommt nicht auf, selbst die größten Olympiabefürworter scheinen erst einmal durchschnaufen zu wollen. Durchschnaufen wird auch Willy Rehm, genannt Biwi, wenn er in seinen Heimatort zurückkehrt. In Garmisch-Partenkirchen kennt ihn jeder: Bei jeder Gelegenheit jodelt der ehemalige Bürgermeister, gemeinsam mit seinem Bruder ist er auch für spontane Gesangseinlagen bekannt. Damit hat es Biwi bis nach Durban geschafft, bei der Olympiapräsentation durfte er gleich zweimal jodeln. In Garmisch-Partenkirchen freuen sich die Menschen schon, wenn Biwi zurückkommt: Denn zukünftig jodelt er wieder einfach nur so - ganz ohne Olympia.
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