Vermittler-Luftbuchungen: Ganz schön keck
■ Nach den Rechungshofs-Vorwürfen sucht das Arbeitsamt nach Erklärungen
Ein bisschen rumdrucksen müssen sie schon, die Herren vom Arbeitsamt, am Tag nach dem Schlag des Bundesrechnungshofs. Der hatte den Arbeitsämtern nach Stichproben auch in Bremerhaven vorgeworfen, 70 Prozent der gemeldeten Arbeitsvermittlungen seien Luftbuchungen. Eine Schlamperei, die den ohnehin angekratzten Ruf der Arbeitsamts-Schimmel noch mehr beschädigt, sorgten sich Gewerkschaften und Opposition. Inzwischen schickte das Landesarbeitsamt erneut Prüfer in das bei der Prüfung durchgefallene Amt in Bremerhaven, bei einem weiteren Check wird demnächst auch Bremen dran sein.
„Es kann sein, dass Aktivitäten da waren, die nicht verbucht wurden und umgekehrt“, sagt da der Bremer Arbeitsamt-Vize Lothar Eckert, der einen Zettel mit vorgefertigten Antworten auf unbarmherzige Journalisten-Fragen vor sich liegen hat. Eckert: „Die Existenz der Arbeitsämter steht auf dem Spiel.“ Immerhin sei die Amtsarbeit ein „Massengeschäft, kein buchhalterischer Betrieb“, springt Eckerts Kundenbereichsleiter Thomas Schneider bei.
Forderungen, die Schummel-Ämter durch private Vermittler zu ersetzen, nimmt man im Arbeitsamt noch cool. Eckert: „Konkurrenz belebt das Geschäft, sag ich mal ganz keck.“ Eckerts Gelassenheit hat einen Grund: Der Bundesrechnungshof hat seine Vorwürfe noch gar nicht präzisiert. Also ist Rätselraten über den Gehalt der Vorwürfe angesagt. Genauso darüber, welchen Vorteil die Ämtler eigentlich von den gefaketen Zahlen gehabt haben.
„Eine große Vermittlungszahl führt nicht dazu, dass unsere Leute Karriere machen“, stellt Eckert klar. Auch die Zuweisungen des Bundes an seine Arbeitsämter hängen nicht von der Zahl der Vermittlungen ab. Klarheit besteht jedoch darüber, dass die Ämter unter „Vermittlung“ vieles verstehen. „Wir vermuten, dass es um die Definition des Begriffs Vermittlung geht“, sagt Arbeitsamtler Schneider. Zum Beispiel, wenn jemand durch das Computer-Informationssystem des Arbeitsamtes eine Stelle gefunden hat. Im Januar waren das in Bremen immerhin 746 der 2.205 Vermittlungen – rund ein Drittel.
Auch dass die Zahl der bloss bis zu sieben Tagen in Arbeit Vermittelten in der Statistik auftaucht, „könnte ein Kritikpunkt des Rechnungshofs sein“, überlegt Paul Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe. Im geprüften Bremerhavener Amt wurden im Jahr 2001 nach Angaben des Amtes zwar 34.000 Personen eine Stelle verschafft, aber davon liefen nur 4.100 Stellen über nur sieben Kalendertage – gut ein Zehntel. „Der Hafen braucht oft Aushilfskräfte“, sagt Schröder. Seine Empfehlung, damit die Statistik aussagekräftiger wird: „Die Stellen unter sieben Tagen einfach rausnehmen.“
Und was sagt die Basis? Sie hat auch ihre Probleme mit dem Arbeitsamt – nicht gerade Statistik-Querelen. „Die Zuweisungspraxis in AB-Maßnahmen ist oft wenig passgenau“, sagt Uwe Lange, Geschäftsführer der Bremer Arbeitslosenselbsthilfe (BRAS). Das Amt weise der BRAS, dem größten ABM-Träger der Stadt, zu häufig unmotivierte, selbst zur Verrichtung einfacher Arbeiten untaugliche Personen zu. Deshalb denke die BRAS darüber nach, ihren ABMlern statt Arbeiten im Gartenbau oder im Metallbereich noch einfachere Jobs zu geben. Lange: „Manchmal ist eine ABM trotzdem kaum durchführbar.“ Kai Schöneberg
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