Gangstarapper Haftbefehl: Kleine Häftlinge
Gangstarapper Haftbefehl aus Offenbach öffnet den Blick auf HipHop-Nerds und multikulturelle Authentizität. Ein Konzertbesuch.
Deutschland hat wieder einen Rapstar. Haftbefehl heißt er, und nachdem sein Album „Kanakiu0219“ in die Top Ten gegangen ist, ist er der deutsche Gangstarapper Nummer eins. Gangstarap ist dieses Subgenre von HipHop, das Anfang der Neunziger in den USA das moralisierende weiße Establishment erfolgreich vorführte.
Gut zehn Jahre später wiederholte sich das im rot-grünen Deutschland. Nachdem sich die deutschen Vorzeigegangstas Bushido und Sido in all ihrer Kleinbürgerlichkeit geoutet hatten, war erst einmal Ende mit dem Medienrummel, aber der Gangsta lebt weiter. Zumindest unter den gut 300 Fans, die „Hafti“ vergangenen Donnerstag in Köln auf der Bühne sehen wollten.
Jung sind sie, teils sind es HipHop-Nerds, aber viele reißen die Hände nach oben, als der kurdischstämmige Haftbefehl nach „Kurden“, „Türken“ oder „Jugos“ fragt. Und genauso häufig tragen sie T-Shirts und Collegejacken des Modelabels „Thug Life“.
Es ist ein Slogan des amerikanischen Gangstarappers 2Pac, darunter findet sich ein Totenkopf mit der Zeile „Est. 187“. 187 ist der Polizeicode für den Mord an einem Polizisten und gehört zum Gangstavokabular der ersten Stunde. Haftbefehl ist eines der Models für „Thug Life“. So macht man Authentizität zum Geschäftsmodell.
Koks auf den Eiern
Denn Authentizität wird auf der Bühne reichlich ausgestellt. Allerdings erinnert sie eher an ein Jugendzentrum als an die Gangstafantasien von Haftbefehls Videoclips. Haftbefehl setzt weniger auf seine „Azzlack“-Posse. Er und zwei andere Rapper erzählen von „Koks auf den Eiern“, „Pumpguns“ und Sonnenbrillen.
Als die Menge nach „Haft“ verlangt, ruft sein Bruder Capo: „Ich mach euch kleine Häftlinge“, und alle lachen. Man kennt die Codes und für Politiker und Jugendschützer bleibt eh nur der Mittelfinger übrig.
Empfohlener externer Inhalt
Da passt es gut, dass Haftbefehls Tracks sich als partytauglich erweisen. Nicht nur weil sie komplex rockende Hooks sampeln, sondern weil seine Refrains mitgrölfest sind. Verloren geht dabei jedoch sein spezieller Flow, das „Kanakiu0219“. Der Offenbacher reimt schon mal das hessische „Babba“ auf „Isch fick deine Mutter“ und orientiert seinen Stil an französischem HipHop anstatt am amerikanischen Gangsta-Original.
Zwischendurch baut er immer wieder ein sehr kehlig ausgesprochenes „ch“ in seine Tracks ein, fast so, als wolle er die Fantasien über den „dekadenten“ Lifestyle der Unterschicht mit denen über den gewalttätigen Araber befeuern. Am Donnerstag befeuerte er damit jedoch in erster Linie seine Fans – als authentischer „Azzlack“ und genau deshalb ziemlich schlau.
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