Galeria Kaufhof in der Krise: Der rasante Weg bergab
In nur zwei Jahren wurde das Warenhaus zum Sanierungsfall. Verdi entscheidet nun über harte Einschnitte für 20.000 Mitarbeitende.
Hirsch möchte in dieser Geschichte nicht mit ihrem richtigen Namen auftauchen, und sie will auch nicht preisgeben, wo genau sich ihr Arbeitsplatz befindet. Die 53-Jährige arbeitet bei Galeria Kaufhof, einem Unternehmen, von dem sie nicht weiß, wie es damit weitergeht: Bekommt das Traditionswarenhaus die Chance, sich zu sanieren? Oder droht die Insolvenz?
Die Frage, ob die Arbeitnehmervertreter*innen mit dem Unternehmen Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag eingehen, beantwortet die Tarifkommission von Verdi am Freitag in Frankfurt am Main. Seit Monaten haben sich die Wirtschaftsprüfer der Gewerkschaft und Sachverständige die Zahlen des Unternehmens angesehen.
Auch von der Kaufhof-Mutter, der kanadischen Hudson’s Bay Company (HBC), wurden Dutzende Nachweise und die Offenlegung der Bücher verlangt. „Wir sind zuversichtlich, dass sich die Tarifkommission für die Sanierung entscheiden wird“, sagt Kaufhof-Sprecher Martin Neipp auf Anfrage der taz. Mitarbeiterin Hirsch sagt: „Natürlich hoffe ich, dass es weitergeht. Aber wir werden so oder so die Leidtragenden sein.“
Verzicht auf auf Weihnachts- und Urlaubsgeld
Seit der Übernahme durch die kanadische Firma HBC im Herbst 2015 ist Galeria Kaufhof zum Sanierungsfall verkommen. Die Erträge gingen zwar schon länger zurück, doch seitdem steigen gleichzeitig die Kosten. So ist der Umsatz von 3,02 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 2,6 Milliarden im Jahr 2017 eingebrochen.
Bereits im Oktober hatte Kaufhof die Gewerkschaft Verdi deshalb gebeten, aus der Flächenbindung aussteigen zu dürfen und stattdessen einen Sanierungstarifvertrag abzuschließen. Die rund 20.000 Beschäftigten von Kaufhof in Deutschland sollen in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichten, ebenso auf Tariferhöhungen und auf ihren Mitarbeitendenrabatt.
Peter Kenning, Handelsexperte der Universität Düsseldorf
Kaufhof-Geschäftsführer Roland Neuwald hat außerdem angekündigt, in der Kölner Zentrale 400 von 1.600 Arbeitsplätzen abbauen zu müssen. So will Kaufhof zwischen 60 und 100 Millionen Euro Personalkosten sparen. Der direkte Konkurrent Karstadt hat wegen einer Sondervereinbarung mit Verdi derzeit einen Personalkostenvorteil von bis zu 15 Prozent, seit zwölf Jahren verzichten die Mitarbeitenden zum Beispiel auf Lohnerhöhungen.
Chancenlos gegen das Internet
Die Gründe für den Absturz von Kaufhof sind so vielschichtig wie zahlreich: die offensichtlichen Personalkostennachteile gegenüber Karstadt, Lieferanten, die direkt neben den Filialen eigene Stores eröffnen. Aber auch die Nachfrage ändert sich: „Warenhäuser wie Kaufhof und Karstadt haben längst ihren Reiz verloren“, sagt Peter Kenning, Handelsexperte von der Uni Düsseldorf. „Das Versprechen, einfach alles im Angebot zu haben, zieht niemanden mehr an.“ Im Internet gibt es immer noch mehr. Dort können Regale nicht voll werden, das Web ist ein grenzenloses Warenhaus, Amazon und Zalando sind die Kaufhofs und Karstadts der Gegenwart.
Einst galt Kaufhof als Musterbeispiel für ein funktionierendes Warenhaus, insbesondere gegenüber dem Erzfeind Karstadt. Doch Karstadt, das vor etwa drei Wochen ebenfalls seine Zahlen veröffentlichte, hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2016/17 erstmals seit zwölf Jahren einen Überschuss erzielt und ein Plus von 1,4 Millionen Euro verzeichnet. Unter dem jungen österreichischen Immobilieninvestor René Benko hat es sich seit 2014 von der Zeit unter Nicolas Berggruen erholt. Der hatte das Unternehmen im Jahr 2009 in die Pleite gewirtschaftet.
Benko versucht seitdem, auch an die Kaufhof-Häuser heranzukommen. Wie viele vor ihm will er den ganz großen Coup landen: die Gründung einer Deutschen Warenhaus AG. Am 1. November 2017 legte er der Kaufhof-Mutter HBC ein neues Angebot vor: Knapp 3 Milliarden Euro wollte er für Kaufhof bezahlen, 200 Millionen mehr, als HBC 2015 an die damalige Kaufhof-Eigentümern Metro überwiesen hatte.
Den deutschen Markt falsch eingeschätzt
Aus dem Antrag, den die Geschäftsführung von Kaufhof an die Tarifkommission gerichtet hat, um für den Sanierungstarifvertrag zu werben, zitiert der Spiegel: „Galeria Kaufhof befindet sich in einer ausgeprägten Ertragskrise“ und dass es ohne Sanierungsmaßnahmen „kurz- bis mittelfristig in einer substanziellen wirtschaftlichen Notlage verbleiben“ werde. Ohne Gegenmaßnahmen drohe die Zahlungsunfähigkeit.
Denn Kaufhof leidet auch unter der teurer gewordenen Gebäudenutzung. Der selbst hoch verschuldete Mutterkonzern HBC hat 41 Kaufhof-Immobilien in ein Joint Venture mit einer amerikanischen Immobiliengesellschaft ausgelagert. Für diese Immobilien verlangt HBC von der Tochter deutlich höhere Mieten. Seit 2015 muss Kaufhof jährlich 50 Millionen Euro mehr für seine Gebäude bezahlen. Angeblich fließt dieses Geld in Form von Investitionen wieder in das Warenhaus zurück.
Denkbar ist allerdings auch, dass vieles von dem Geld, das auf dem europäischen Markt erwirtschaftet wird, direkt an die notorisch finanzschwache Mutter in Kanada durchgereicht wird. Dass also Chairman Richard Baker die deutsche Tochter als Selbstbedienungsladen nutzt, um HBC über Wasser zu halten. „Seit der Kaufhof-Übernahme hat sich der HBC-Kurs halbiert, die Kanadier haben den deutschen Markt falsch eingeschätzt, wie auch schon die Wal-Mart-Bosse einst nicht erkannt, dass vieles jenseits des Atlantiks anders läuft“, sagt Peter Kenning.
Beschäftigte tappen im Dunkeln
Dafür sollen nun die Beschäftigten von Kaufhof bezahlen und Verdi die tarifliche Grundlage liefern. „Das passiert nur, wenn für die Mitarbeitenden eine Zukunft bei Galeria Kaufhof realistisch ist“, versichert Günter Isemeyer, Pressesprecher vom Bundesfachbereich Handel. Investitionen in die Zukunft gehörten auch zum Sanierungsprogramm, heißt es vonseiten des Warenhauses.
„Wir sind nicht bereit, die Beschäftigten für Managementfehler und dubiose Finanzierungsmethoden zur Kasse zu bitten“, sagte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Uwe Hoepfel, der der Übernahme durch HBC zwar zustimmte, sich nun aber deutlich von der Mutter distanziert.
Vanessa Kowalsky ist Auszubildende bei Galeria Kaufhof, auch sie will unerkannt bleiben. „In den Pausen wird über nichts anderes gesprochen“, berichtet sie. „Wir wissen nicht, was abgeht, niemand spricht mit uns. Wir erfahren selbst alles aus den Medien.“
Kowalsky erzählt von einem Video, auf dem sie gesehen habe, wie Mitarbeitende HBC-Tassen zertrümmerten. „Wir sind einfach alle sauer, dass so viel Geld unnötig verschleudert wird.“ Überflüssiges Material für die Filialen werde angeschafft, Puppen und Möbel zum Dekorieren, dafür habe man im Weihnachtsgeschäft auf zusätzliche Aushilfen verzichtet. Mittlerweile würden Mitarbeitende sogar verstärkt kontrolliert, etwa, ob sie auch stets den für sie vorgesehenen Eingang benutzen. „Es wird wohl nach Wegen gesucht, Mitarbeiter zu entlassen“, sagt Kowalsky. Das bestätigt auch Susanne Hirsch, das Unternehmen weist die Vorwürfe zurück.
Das Angebot von René Benko hat HBC unterdessen abgelehnt. Die Hoffnung der Beschäftigten, dass es mit Kaufhof weitergeht, bleibt verknüpft mit Freitag, dem 13. April.
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