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Gänseleichen auf dem Seziertisch

Kontaminierte Pilze und verstorbene Vögel: Das Hamburger Hygiene Institut untersucht neben Lebensmitteln neuerdings auch tote Tiere auf Viren und Bakterien  ■ Von Elke Spanner

Das Türschild „Sektionsraum“ läßt Schlimmes erahnen. Zwar witzelt Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) bewußt munter, „wir wollen hier nichts essen“, doch als gänzlich unversehrte Tauben und Gänse auf dem Operationstisch liegen, blickt auch die Senatorin erleichtert drein.

Nur das feinsäuberlich bereitgelegte Operationsbesteck deutet an, daß es auf dem sterilen Stahltisch zu anderer Zeit wie auf dem Schlachthof aussehen kann: Hier werden tote Tiere seziert, weil sie gefährliche Bakterienschleudern sein könnten. Das Hygiene Institut Hamburg (HI), das Roth gestern besuchte, prüft, ob sie an einer Krankheit gestorben sind und ob diese auf andere Tiere oder Menschen übertragbar ist.

Daß die Veterinäruntersuchungsanstalt im Institutsgebäude untergebracht ist, ist neu und Teil einer Umstrukturierung des HI, welche die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) nun abgeschlossen hat. Außer mit Tieren beschäftigen sich die rund 240 MitarbeiterInnen mit Krankenhaushygiene, Schädlingsbekämpfung, Virologie und vor allem mit der Untersuchung von Lebensmitteln. Schafskäse etwa sollte vom Schaf sein – gibt der Hersteller auf dem Etikett eine Kuh als Milchspenderin an, macht das die Fachleute skeptisch. Sie prüfen, wie hoch der Schafsmilch-Anteil tatsächlich ist.

Überwiegend werden Lebensmittel routinemäßig untersucht. Wegen des Verdachts auf krebserregende Substanzen werden etwa aus dem Iran importierte Pistazien lückenlos kontrolliert. Bei Fischen wird jede 10. Sendung, die in Hamburg ankommt, untersucht, und Pilze aus osteuropäischen Ländern werden durch Atommeßgeräte geschoben, ehe sie zum Verzehr freigegeben werden. Sie könnten radioaktiv belastet sein.

„Hamburg ist eine wichtige Verteilerstelle für Güterimport“, erklärt Barbara Seiffert, zuständig für die Lebensmittelkontrolle im HI. 1996 wurden am Hafen 10 Millionen Tonnen Transitgüter abgefertigt. Bundesweit elf Prozent aller tierischen Lebensmittel, 17 Prozent aller pflanzlichen und 23 Prozent aller Genußgüter wurden über Hamburg nach Deutschland eingeführt; die Tendenz ist steigend.

Auch für die EU ist die Hansestadt eine Eingangspforte. Vergangene Woche hat das Hygiene Institut die Bescheinigung erhalten, daß es der europäischen Norm entspricht und auch Güter kontrollieren darf, die für andere EU-Länder bestimmt sind.

In der „Kernstrahlen Spektrometrie“ beispielsweise werden atomar verseuchte Lebensmittel aussortiert. In unauffälligen, an Tupperschüsseln erinnernden Gefäßen werden kontaminierte Pilze und Gemüseblätter in panzerschrankähnliche Detektoren gestellt. Ihr Becquerelgehalt wird dann vom Computer angezeigt. Nur der Bildschirmschoner erinnert daran, daß hier nicht harmlose mathematische Berechnungen angestellt werden, sondern wichtige Gesundheitsvorsorge geleistet wird: Über ihn fliegen lustig bunte Totenköpfe.

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