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Gabriele Lesser über den Umgang mit Polens rechter RegierungFür die EU ist es fünf nach zwölf

Endlich! Nach drei Jahren hat die Europäische Kommission Klage gegen Polen erhoben. Da es eigentlich schon fünf nach zwölf ist und von Polens einstigem Rechtsstaat nicht mehr viel übrig ist, soll der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zunächst eine einstweilige Verfügung gegen Polen verhängen. Auch die Richter des Obersten Gerichts in Polen erhoben Klage vor dem EuGH. Denn laut polnischer Verfassung sind Polens Richter unabhängig von politischen Weisungen und dürfen nicht entlassen werden.

Doch mit einem Trick – einer Zwangsverrentung mit sofortiger Wirkung – entließ die nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) alle über 65-jährigen Richter am Obersten Gericht. Polens Präsident Andrzej Duda, auf dessen Initiative das fatale Gesetz zurückgeht, ernannte sogar schon zehn Nachfolgerichter.

Das Oberste Gericht hatte zuletzt die Funktionen des Verfassungsgerichts übernommen, es entscheidet auch über die Gültigkeit von Wahlen.

Es ist völlig unverständlich, warum die Europäischen Institutionen – Kommission, Rat und Parlament – seit drei Jahren mehr oder weniger tatenlos der Zerstörung von Demokratie und Rechtsstaat in Polen zuschauen. Außer gelegentlichen Mahnungen, sich an die EU-Verträge zu halten, geschah gar nichts. Zwar leitete die Kommission schon im Dezember 2015 ein Verfahren

ein, das die PiS-Regierung im schlimmsten Fall das Stimmrecht im Europäischen Rat kosten könnte. Doch in Warschau hielt sich Jarosław Kaczyński, der PiS-Parteivorsitzende und mächtigste Mann in Polen, nur den Bauch vor Lachen. Denn das Verfahren ist ein politisches: Nach einem mehrstufigen Prozess müssten dazu alle Regierungschefs der EU einstimmig entscheiden. Ungarn, das schon vor Polen den Weg in den Unrechtsstaat angetreten hat, sicherte Polen aber bereits seinen Beistand zu.

Ob das Gerichtsurteil des EuGH nun noch etwas aufhalten kann, ist offen. Die einstweilige Verfügung müsste in den nächsten Tagen kommen. Sonst ist es zu spät.

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