Gabriel über AKW-Sicherheit: "Ich werde auf Nachweise bestehen"
Die Bundesländer und AKW-Betreiber haben die Sicherheit ihrer Atomkraftwerke noch nicht nachgewiesen, sagt Umweltminister Sigmar Gabriel und droht mit Konsequenzen.
taz: Herr Gabriel, worin besteht das Kühlwasserproblem, das derzeit für Streit sorgt?
Der 49 Jahre alte SPD-Politiker ist ausgebildeter Lehrer und seit vier Jahren Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Von 1999 bis 2003 war er Ministerpräsident von Niedersachsen.
Sigmar Gabriel: Wenn nach einem Leck im Kühlwasserkreislauf Isoliermaterial beschädigt wird, können die im Kühlwasser mitgeführten Fasern die sogenannten Sumpfsiebe verstopfen oder in den Reaktorkern eindringen und dort die Kühlung behindern. Den AKW-Betreibern ist es im Dezember 2008 nicht gelungen, für alle Anlagen geltende, nachvollziehbare Belege vorzulegen, dass dieser Fall beherrscht wird. Jetzt muss für jede einzelne Anlage geprüft werden, ob das Problem gelöst werden kann.
Wie gefährlich ist die Situation?
Das konkrete Risiko ist gering, aber wir nehmen die Sache sehr ernst, weil das Sicherheitskonzept auf der Beherrschung der Auslegungsstörfälle beruht, ganz unabhängig von der Eintrittswahrscheinlichkeit. Wir haben die zuständigen Länder im Rahmen der Bundesaufsicht aufgefordert, bis Mitte Juli die geforderten Nachweise vorzulegen.
Wie haben die reagiert?
Bayern hat bereits Dokumente eingereicht, die jetzt geprüft werden. Die übrigen Länder und insbesondere die AKW-Betreiber sind in der Pflicht. Sie müssen schleunigst ihre Hausaufgaben machen.
Was passiert, wenn sie das nicht tun?
Nur Niedersachsen hat die Vorlage der Nachweise bislang noch nicht zugesagt. Ich werde darauf bestehen, notfalls auch per Weisung, dass die Länder von den Betreibern einen nachvollziehbaren und vollständigen Nachweis zur Beherrschung dieses Störfallablaufs rechtsverbindlich einfordern.
Versuchen die Länder, das Problem bis zur Bundestagswahl auszusitzen?
Das kann ich nicht beurteilen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass in irgendeinem Bundesland Wahltaktik Vorrang vor der Sicherheit hat.
Warum hat das Bundesumweltministerium nicht früher gehandelt, wenn das Problem schon so lange bekannt ist?
Haben wir doch. Nach den Umrüstungen der Siebe bis 2004 konnten wir davon ausgehen, dass das Problem gelöst ist. Als dann Experten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit neue Probleme sahen, haben wir die Reaktor-Sicherheitskommission mit der Untersuchung beauftragt. Nachdem die Betreiber im Januar 2009 erklärt hatten, der Kommission keine weiteren Nachweise vorlegen zu wollen, habe ich die Länder aufgefordert, die Betreiber zu einer schnellen Klärung der offenen Fragen zu verpflichten. Das haben sie bisher nicht ausreichend getan.
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