„GQ“-Fotoaktion zu Homophobie: Knutschen gegen Intoleranz
Für das Lifestyle-Magazin „GQ“ küssen sich heterosexuelle Promi-Männer. Ausgerechnet die sonst homophobe „Bild“-Zeitung feiert die Aktion.
BERLIN taz | Rapper Moses Pelham küsst Kollegen Thomas D., Sänger Herbert Grönemeyer knutscht mit Schauspieler August Diehl. Während die Beachvolleyball-Olympiasieger Julius Brink und Jonas Reckermann zurückhaltend wirken, ist der Kuss der Bandmitglieder von Revolverheld innig und ausdauernd, wie im Making-Of-Video zu sehen ist.
13 prominente Hetero-Männer hat das Männer-Lifestyle-Magazin GQ für seine Aktion „Mundpropaganda – Gentleman gegen Homophobie“ gewonnen. Sie alle setzen ein Zeichen gegen Intoleranz, beziehen sich explizit auf die Anti-Homosexuellen-Gesetze in Russland, wo im Februar die Olympischen Winterspiele stattfinden.
„Weil wir als Journalisten wissen, dass Worte Bildern unterlegen sind, haben wir für die Aktion spektakuläre Fotos geschossen“, sagt GQ-Chefredakteur José Redondo-Vega. Er erklärt aber auch: „Die Absagen, die wir auf der Suche nach Unterstützern für diese Initiative bekamen, haben uns gezeigt, dass selbst in Deutschland noch ein weiter Weg zu gehen ist.“ Auf Twitter und Facebook wird das Magazin für die Aktion gefeiert. Ein gelungener PR-Coup mit ernsthaftem Hintergrund.
Empfohlener externer Inhalt
So weit, so gut. Wenn da nicht diese Trittbrettfahrer wären. An vorderster Front die Bild-Zeitung. Auf einem pinken Hintergrund schreibt die Zeitung in der Mittwochsausgabe: „Hier küssen sich die Stars gegen den Schwulen-Hass“. Letzter Satz: „Hoffentlich können diese Küsse etwas verändern“. Sie fordert ihre Leser auf, es den Promis nachzutun („Küss auch du mal gegen Schwulen-Hass“). Der Aufruf kommt überraschend, denn die Bild ist nicht gerade bekannt dafür, sich für Homosexuelle einzusetzen.
„Bild“ gegen „Schwulunterricht“
Im Sommer 2012 schrieb etwa Bild-Kolumnist Franz-Josef Wagner in einem Brief an die „Liebe Homo-Ehe": „Ich fühle mich dabei nicht wohl. Homosexuelle kriegen biologisch keine Kinder. Früher wurden Homosexuelle in Deutschland zu Gefängnis verurteilt. Was für eine glorreiche Zeit für Euch. Niemand steckt euch ins Gefängnis. (...)“ Er schließt mit dem Satz: „Wir sind ein besseres Deutschland geworden“. Wagner, bekannt dafür zu polarisieren, trat einen Shitstorm im Netz los.
Im Juni diesen Jahres titelte die Bild: „Irre Idee aus Sachsen – Linke wollen „SCHWUL-Unterricht“ einführen“. Der kurze Text ist bebildert mit dem Foto einer Lehrerin, die vor einer Tafel steht, auf der ein Bild von einem leicht bekleideten sich küssenden Männer-Paar klebt. Die Bild-Zeitung zitierte als Kronzeugin die christliche Fundamentalistin und Autorin Gabriele Kuby mit den Worten, dass so Jugendliche „in die Homosexualität getrieben“ werden könnten. „Aber sie brauchen keine Angst haben! Der Linke-Vorschlag wird mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Mehrheit der konservativen CDU scheitern (...)“, beendete die Bild-Zeitung den Text.
Auch in der Berichterstattung über den bayerischen „Sex-Landrat“ Michael Adam (SPD) bediente die Bild kürzlich irrationale Klischees und Ängste, rückte Homosexualität in die Ekel-Schmuddel-Ecke. Es gibt dutzende weitere solcher Beispiele. Doch wenn es der Leser-Blatt-Bindung dient und ein paar Promis mit an Bord sind, lässt die Bild ihre homophoben Tendenzen hintenanstehen und verpasst sich einen pinken Anstrich.
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