GDL-Urabstimmung über Streik: Der Bahn fehlen die Worte
Die Lokführergewerkschaft fordert mehr Gehalt bei weniger Arbeitszeit – und ist kampfbereit. Kritik kommt von der Bahn, aber auch von Andrea Nahles.
EISENACH/BERLIN dpa | Der Deutschen Bahn und ihren Fahrgästen drohen im Oktober längere Streiks. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) beschloss am Donnerstag, die Urabstimmung über einen Arbeitskampf bei dem Unternehmen einzuleiten. Bis zur Auszählung der Stimmen am 2. Oktober werde es keine weiteren Warnstreiks geben, teilte die GDL mit. In der vergangenen Woche hatten Lokführer zweimal mehrere Stunden die Arbeit niedergelegt, was zu zahlreichen Zugausfällen führte. Der festgefahrene Tarifkonflikt bei der Lufthansa erschwert die Reiseplanung derzeit zusätzlich.
Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky sagte nach einer Vorstandssitzung in Eisenach, er rechne mit einer hohen Zustimmung bei dem Mitgliederentscheid. Um reguläre Streiks zu ermöglichen, müssen bei der Urabstimmung 75 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder mit Ja stimmen. Der Beschluss des Hauptvorstands für die Urabstimmung erfolgte laut GDL einstimmig.
Die Tarifverhandlungen mit der bundeseigenen Bahn wurden am 20. August nach der dritten Runde ergebnislos beendet. Die GDL fordert fünf Prozent mehr Geld und zwei Stunden weniger Wochenarbeitszeit. Sie will das nicht nur für Lokführer, sondern auch für Zugbegleiter, Speisewagen-Gastronomen, Lokrangierführer und andere Berufsgruppen durchsetzen. Für diese Beschäftigten hat bislang die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die Tarifverträge ausgehandelt.
Die GDL lehnte am Donnerstag das jüngste Angebot der Bahn ab, in dem Tarifstreit mit Moderatoren weiterzukommen. Für diese Aufgabe habe die Bahn die Vorsitzenden von Beamtenbund (DBB) und Gewerkschaftsbund (DGB), Klaus Dauderstädt und Reiner Hoffmann, vorgeschlagen, teilte die GDL mit.
Wenig Kompromissbereitschaft
Die Bahn sei aber nicht von ihren „Einschränkungen und Vorbedingungen“ abgerückt. Sie habe zudem ihre fundamentalen Positionen gegen Tarifpluralität und Koalitionsfreiheit wiederholt, heißt es in der GDL-Erklärung. „Auf Zeit spielen und dabei weiter vom Zugpersonal Überstunden verlangen, wird es mit der GDL jedoch nicht geben“, sagte Weselsky.
Die Bahn kritisierte, es fehle bei der GDL „jegliche Bereitschaft, überhaupt zu einer Einigung zu kommen“. Das sehe man schon daran, dass selbst zu nichts verpflichtende Angebote wie die Einladung zu moderierten Gesprächen rundweg abgelehnt würden. „Angesichts dieser Drohgebärden fehlen einem die Worte“, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns.
Bahnchef Rüdiger Grube sagte der Bild-Zeitung (Freitag), man könne die Tarifforderung der GDL nicht erfüllen. „Die Gehälter bei der Bahn sind seit 2007 im Schnitt um ein Viertel gestiegen. Im Übrigen verlangen die Lokführer auch eine Kürzung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 37 Stunden. Das alles zusammen ergibt eine Lohnforderung von 15 Prozent. Das ist unerfüllbar.“
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bekräftigte angesichts der Streiks von Lokführern und Piloten ihre Absicht, in Kürze einen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit vorzulegen. Viele Menschen zeigten Unverständnis für diese Streiks, sagte sie im Bundestag. Das Prinzip „ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ solle in Deutschland wieder gelten.
Grundsätzlich sollte aus Sicht der SPD-Politikerin das Solidaritätsprinzip gelten, nämlich: „Alle streiken gemeinsam für alle.“ Nun schauten wenige nur auf sich, sagte Nahles. Dass einige Spartengewerkschaften im eigenen Interesse „vitale Funktionen unsere gesamten Landes lahmlegen, ist nicht in Ordnung. Es untergräbt ... den Zusammenhalt und unserem Land, und es legt auch die Axt an die Wurzeln der Tarifautonomie.“
Nach wie vor ungelöst ist auch der Tarifkonflikt um die Übergangsversorgung der Lufthansa-Piloten. Schon viermal haben sie deswegen die Arbeit niedergelegt. Zuletzt waren am Mittwoch Tausende Passagiere in München betroffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?