G20-Gipfelgegner schreiben Hamburgern: Von wegen Krawalltouristen

Ausländische G20-GipfelgegnerInnen seien gewaltbereiter als deutsche Linke, so die Behörden. Jetzt schreiben die Angesprochenen den Hamburgern.

Eine als Clown geschminkte Frau bläst Seifenblasen gegen Plastikschilde, hinten denen Polizisten stehen.

So sieht gewaltfreier Protest aus – und es soll sogar Ausländer geben, die das können Foto: dpa

HAMBURG taz | Sie wollen die Angst nehmen: In einem offenen Brief wendet sich ein Bündnis aus internationalen G20-GegnerInnen an die BewohnerInnen der Stadt, die im Juli den Gipfel ausrichten wird. „Aus den Medien kennt ihr uns hauptsächlich als Vandalen und Störenfriede“, schreibt das Bündnis „No G20 International“ in dem englischsprachigen Brief sinngemäß übersetzt.

Um diesem Bild entgegenzuwirken, stellen sie sich den HamburgerInnen vor: „Wir sind Frauen und Männer aus allen Teilen der Welt, in unterschiedlichen Lebenslagen und mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen.“ Weiter heißt es: „Wir werden in Solidarität mit den HamburgerInnen anreisen, die Stadt mit ihren Aktivitäten und Aktionen respektieren und hoffen, dass wir zusammenkommen und uns auf der Straße kennenlernen!“

Zerrbild in deutschsprachigen Medien

Die VerfasserInnen des Briefes beziehen sich darauf, dass die aus dem Ausland anreisenden Protestierenden in vielen deutschsprachigen Medien als gewaltbereit dargestellt werden. Auch die Hamburger Polizei, die Polizeigewerkschaften und die Hamburger Innenbehörde vertreten die Auffassung, von den ausländischen GipfelgegnerInnen gehe die größte Gefahr aus – sie seien entschlossener und gewaltbereiter als die meisten deutschen Linken.

Nach dem Passgesetz kann einem Deutschen die Ausreise ins Ausland untersagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet seien. Ähnliches gilt andersherum auch für die anderen Länder im Schengen-Raum.

Der Anlass für war die Fußball-WM 1998 in Frankreich, bei der der Gendarm Daniel Nivel von Hooligans ins Koma geprügelt wurde.

Die Polizei rechnet mit 4.000 bis 8.000 gewaltbereiten Autonomen, die im Juli nach Hamburg kommen. Die meisten Sorgen bereiten den Sicherheitskräften die autonome Demonstration „Welcome to Hell“ am 6. Juli und die von der Linkspartei angemeldete Großdemonstration „G20 – not welcome“ am 8. Juli.

Für viele Protestierende aus dem Ausland wird sich allerdings die Frage stellen, ob sie es überhaupt nach Deutschland schaffen. Die Bundespolizeidirektion in Bad Bramstedt hat bereits angekündigt, anlässlich des Gipfels die Grenzüberwachung in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu verstärken. „Die Gewaltbereitschaft, insbesondere der linksextremistischen Szene, nehmen alle Experten ernst“, hatte der Direktionspräsident Bodo Kaping kürzlich gesagt. Vor allem gehe es darum, die Anreise von polizeilich bekannten Autonomen aus Skandinavien zu verhindern.

Ausreisesperren für „polizeibekannte“ Skandinavier

Konkret bedeutet das für die Betroffenen, dass sie entweder bereits im Vorhinein eine Ausreisesperre erhalten, gegebenenfalls in Verbindung mit einer Meldeauflage bei ihrer örtlichen Polizeistation. Oder ihnen wird erst an der Grenze mitgeteilt, dass sie nicht ausreisen dürfen.

Bei den Grenzkontrollen geht es allerdings nicht darum, verurteilte StraftäterInnen von der Einreise abzuhalten. Wie der Erste Polizeihauptkommissar der Bundesdirektion in Bad Bramstedt Matthias Menge der taz erklärte, reiche es, der Polizei in irgendeinem Mitgliedsstaat des Schengener Abkommens schon mal aufgefallen zu sein.

„Fremd“ gleich „gewaltbereit“?

Für Elke Steven vom Grundrechtekomitee bedeutet das eine „völlige Außerkraftsetzung europäischer Grundrechte“. Das Recht auf Versammlungsfreiheit und das Recht auf Bewegungsfreiheit in der EU werde durch die Ausreiseverbote ausgehebelt. Die Gleichsetzung von „Fremden“ mit „gefährlichen Gewaltbereiten“ nennt sie eine „völlig absurde Konstruktion“.

Genau diese Konstruktion war für die internationalen AktivistInnen von „No G20 international“ der Anlass, den Brief zu schreiben. Bettina Müller von Attac Argentinien hat in Bue­nos Aires die deutsche Berichterstattung verfolgt. „Da werden Ängste geschürt und Leute als gewalttätig abgestempelt, um zu verhindern, dass Menschen auf die Straße gehen“, sagt sie.

Auf der Seite G20-protest.info gibt es einen Aufruf, im Juli nach Hamburg zu fahren, um gegen die G20 zu protestieren. Unterzeichnet haben etwa AktivistInnen aus Haiti, der Demokratischen Republik Kongo, Irland, Südafrika, Italien, Frankreich, Brasilien und Indien.

AktivistInnen haben einen Sonderzug von Basel bis Hamburg organisiert. Am 5. Juli sollen zwölf Waggons tausende Menschen in Basel-Bad, Kornwestheim, Heidelberg, Frankfurt, Köln und Dortmund einsammeln und nach Hamburg bringen.

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