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Fußballverband in SyrienWarum Fußball und Demokratie zusammengehören

Der syrische Fußballverband wechselt nach dem Sturz des Assad-Regimes die Farben. Ein Zeichen von Anbiederung? Die Sache dürfte komplexer sein.

Beim Freundschaftsspiel gegen Russland trat das syrische Nationalteam letztmals auf Foto: Itar-Tass/imago

A bschied mit Syrien. Heute endet meine Kolumne „Über Ball und die Welt“, in der ich 15 Jahre lang allmonatlich zu zeigen versucht habe, welche politische Kraft der Fußball gerade dann hat, wenn er nur Fußball ist. Die hat er, weil Sport nicht etwa „nichts mit Politik zu tun“ hätte oder „nicht mit Politik vermischt“ werden dürfte und auch nicht, weil er bloßer „Spiegel der Gesellschaft“ wäre. Sondern: Sport, und erst recht Fußball, ist schon immer Teil des politischen Geschehens gewesen. Er prägt die Gesellschaft, er verbessert sie, er verschlechtert sie. In ihm schlummert ein enormes demokratisches Potenzial. Wenn das aber nicht freigelegt wird, wird die Kraft des Sports autoritär genutzt.

Heute geht es hier also zum Abschluss dieser Kolumne um Syrien. Auf Facebook hat der Syrische Arabische Fußballverband (SAF) mitgeteilt, dass das Nationalteam künftig in grünen Trikots auflaufen wird, nicht mehr in Rot-Weiß. Ein Foto mit Spielern in den neuen Trikots wurde mitgeliefert. Das ist schon deswegen bemerkenswert, weil Syriens Auswahl gerne als „Rote Adler“ bezeichnet wurde. Zur Begründung für den Farbenwechsel heißt es, es zeige „die erste historische Veränderung in der Geschichte des syrischen Sports, weg von Vetternwirtschaft, Kumpanei und Korruption“.

Schaut man sich die ersten Meldungen nach dem Sturz des Assad-Regimes an, könnte man vermuten, der Fußball biedere sich mit den grünen Trikots bloß den neuen Machthabern an. Das ist denkbar. Er könnte dies tun, weil der SAF ja in den Assad-Jahren immer eine Systemstütze war. Schon möglich also, dass da einige Funktionäre ihren Kopf retten wollen, und vielleicht sogar ihre Jobs.

Aber eine andere Lesart ist auch möglich: So wie derzeit niemand prognostizieren kann, wie sich das Anti-Assad-Bündnis entwickeln wird, so kann das niemand über den Sport sagen. Auch der Fußball ist ein politisches Kampffeld, auch hier ist Geschichte ein offener Prozess, auch hier wird um alle großen Fragen gekämpft: sei es die Teilhabe von Frauen, seien es demokratische Strukturen, seien es Minderheitenrechte, seien es freundschaftliche Beziehungen zu Nachbarländern.

Freiräume im Stadion

Diese Lesart ist realistischer. Zum einen ist Fußball in Syrien der populärste Sport, und es gibt seit Mitte der 1960er-Jahre eine leidlich stabile Profiliga. Zum anderen hat der Fußball der politischen Opposition stets Freiräume eröffnet: Im Stadion ließ sich Widerspruch zum Assad-Regime leichter und wirkungsvoller artikulieren. Als 2012 die syrische Nationalmannschaft gegen Japan spielte – das Heimspiel wurde wegen des Bürgerkriegs in Jordanien ausgetragen –, gab es zwei syrische Fanblöcke: Die Regimeanhänger unterstützten Syrien, die Opposition stand auf der Gegentribüne und trommelte für Japan. 2:1 gewann Syrien, noch hielt das Assad-Regime.

Welche Rolle der Fußball beim Umsturz spielen kann, wurde im Arabischen Frühling vor über zehn Jahren deutlich. Ultras aus Ägypten, aus Tunesien, aus Algerien und auch aus Syrien traten militant für ihre Rechte und Interessen ein – und die stimmen so gut wie nie mit denen autoritärer Regime überein. Sport verlangt ja – da ist er ganz nah am bürgerlichen Glücksversprechen –, dass alle Menschen, die dies wollen, mitmachen können. Teilhabekämpfe im Sport sind Demokratie.

15 Jahre lang wurde hier über das Politische des Fußballs kolumnisiert. Im nächsten Jahr mache ich mit Boxen weiter, die Kolumne wird „Linker Haken“ heißen. Das ist auch politisch. Und Kämpfe gibt’s da auch.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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