Fußballspiele und Polizeikosten: Auch Hamburg brennt für Gebühren
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer will Fußballclubs an Polizeikosten zu beteiligen. Nun springt ihm sein Hamburger Amtskollege Andy Grote bei.
Den Vorschlag für einen mit mehreren Millionen Euro gefüllten Erstattungsfonds hatten Mäurer und Lewentz bereits im April 2018 in die Debatte geworfen, waren damit aber in der DFL auf taube Ohren gestoßen.
Die fühlt sich für die Polizeeinsatzkosten nicht zuständig und war es seit ihrer Gründung de facto auch nie. „Hier geht es nicht um Abzocke, sondern um eine vom Bundesverwaltungsgericht festgestellte gerechte Aufteilung der Belastungen, die über das Normalmaß eines polizeilichen Aufwandes hinausgehen“, argumentierte hingegen das Innenminister-Duo am Dienstag in Mainz.
Das Bundesverfassungsgericht hatte vergangenen März entschieden, dass eine Kostenbeteiligung der Vereine an zusätzlichen Kosten für Risikospiele grundsätzlich rechtens sei. Der Kernsatz des Gerichtsbeschlusses: „Für den besonderen Polizeiaufwand aus Anlass einer kommerziellen Hochrisiko-Veranstaltung darf grundsätzlich eine Gebühr erhoben werden.“
Bremen schickte Gebührenbescheid
„Prozessual ist meines Erachtens die Schlacht gelaufen“, räumte Mäurer am Dienstag dem Urteil einen hohen und auch endgültigen Stellenwert ein. Das hingegen sieht der Präsident des FC St. Pauli, Oke Göttlich, anders und verweist darauf, dass der Rechtsweg noch nicht abgeschlossen sei, „da das Bundesverwaltungsgericht das Thema Polizeikosten zurück an das OVG Bremen verwiesen hat.“ Das muss nun die Entscheidung im konkreten Fall und auf der Grundlage der generellen Rechtmäßigkeit solcher Gebühren treffen.
Auslöser der juristischen Auseinandersetzung war ein Gebührenbescheid des Landes Bremen über gut 425.000 Euro für einen ausgedehnten Polizeieinsatz bei der Bundesligapartie der Nordrivalen Werder Bremen und HSV im Weserstadion im April 2015 gewesen.
Danach hatte Bremen auf Betreiben Mäurers noch dreimal dem SV Werder eine erhöhte Polizeipräsenz in Rechnung gestellt und bereits angekündigt, dass einige Gebührenbescheide für Einsätze in jüngerer Vergangenheit bereits in Vorbereitung seien. Die bereits angekündigten Gesamtforderungen des Landes: Rund 2,25 Millionen Euro. Kein anderes Bundesland hat bislang Gebühren nach Bremer Vorbild erhoben.
DFB will nicht zahlen
Am Montag war bereits Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) Mäurer beigesprungen und hatte betont, er sehe nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts keinen Grund mehr, „warum wir das nicht machen sollen“. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sehe „die Welt anders aus“. Allerdings plant Grote nicht, schon bald Gebührenbescheide zu verschicken. Entsprechende Schritte schloss er für diese Saison aus.
Er wolle, teilte Grote der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit, stattdessen „mit den Vereinen und der Liga im Gespräch“ bleiben. Auch Mäurer will eine einvernehmliche Lösung mit den Vereinen und ihrem Verband, er will vor allem aber eine Lösung.
Seit Jahren hat er es zu einem seiner politischen Projekte gemacht, die Kostenbeteiligung erst in Bremen, dann bundesweit durchzusetzen. In der vergangenen Saison waren in den ersten beiden Profiligen 54 von 612 Partien Risikospiele mit erhöhter Polizeipräsenz.
Die DFL aber will nicht zahlen, auch wenn sie es erst einmal tut. Im September hatte sie angekündigt, die vier bislang ergangenen Bremer Gebührenbescheide über insgesamt 1,17 Millionen Euro fristgerecht zu begleichen und die Hälfte des Betrags erst einmal Werder Bremen in Rechnung zu stellen.
Gleichzeitig legte die DFL Widerspruch gegen die Kostenbeteiligung ein und behält sich weitere rechtliche Schritte gegen jeden einzelnen Bescheid vor. „Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes ist nach Abschluss des Rechtsweges möglich“, hatte die DFL gedroht.
Während der HSV gestern zu keiner Stellungnahme bereit war, rückte St.-Pauli-Präsident Göttlich etwas anderes in den Fokus: Statt um mehr Polizeieinsätze gehe es um die „Reduzierung der Einsatzstunden und Polizeikosten“. Göttlich weiter: „Wir stehen dem Modell der ‚Stadion-Allianzen‘ sehr offen gegenüber, da es in Baden-Württemberg erste vielversprechende Ergebnisse zu verzeichnen gibt.“
In den Allianzen bilden Polizei, Ordnungsdienst, Vereine und Fan-Betreuer beider Mannschaften bei jedem Spiel ein Sicherheits-Gremium, das befugt ist, sofort Entscheidungen zu treffen, wenn es zu Ausschreitungen im Stadion kommt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt