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Fußballfans am PrangerDie Akte im Nirgendwo

Die Dortmunder Staatsanwaltschaft lässt öffentlich nach neun Gladbacher Fans fahnden. Jetzt steht die Frage der Verhältnismäßigkeit im Raum.

Angespanntes Verhältnis: Behelmte PolizistInnen vor der Gladbacher Kurve Foto: imago/Eduard Bopp

Berlin taz | Der Vorwurf der Gladbacher Fanhilfe wiegt schwer. Die Rechtsberatungsorganisation beklagt den fahrlässigen Umgang der juristischen Behörden mit dem sensiblen Instrument der Öffentlichkeitsfahndung. Nach einem Überfall von Gladbacher Anhängern auf einen Zug mit Dortmunder Fans im März 2016, bei dem unter Gewaltandrohung und Gewaltanwendung Fanutensilien entwendet wurden, leitete die Bundespolizei auf Beschluss des Dortmunder Amtsgerichts im März 2017 eine Öffentlichkeitsfahndung ein. Die Zeitungen halfen bei der Tätersuche mit. Die Fotos von neun Gladbacher Fans wurden etwa in der Bild-Zeitung, dem Kölner Express und der Rheinischen Post abgedruckt.

Mittlerweile ist jedoch in vier Fällen mangels Beweisen das Ermittlungsverfahren eingestellt worden. Die Gladbacher Fanhilfe beklagt zum einen die offenbar juristisch nicht begründbare Bloßstellung von Fans, die sich durch die Abbildung in den verbreiteten Medien und im Internet Vorverurteilungen ausgesetzt sahen und sich um ihre Arbeitsplätze sorgten, zum anderen greifen sie die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme an.

Mehrfach seien die vier Betroffenen von der Polizei bei Identitätsfeststellungen erkennungsdienstlich erfasst worden. Man müsse davon ausgehen, dass sie zudem in der Gewalttäter-Sport-Datei archiviert seien. Ihre Identität hätte man leicht auf anderem Wege feststellen können. Kurios ist, dass laut der Gladbacher Fanhilfe ein Anhänger, dessen Verfahren nicht eingestellt wurde, zwei Monate vor der Öffentlichkeitsfahndung einen Polizeischrieb in derselben Angelegenheit erhielt. Seine Identität war also bereits bekannt.

Dabei sind die Hürden, die der Gesetzgeber für die Öffentlichkeitsfahndung aufgebaut hat, hoch. Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten ist zulässig, wenn „die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre“, heißt es in Paragraf 131b der Strafprozessordnung.

Recherche im Dreieck

Die mit dem Fall betrauten juristischen Institutionen lassen die tazwie beim Dreiecksspiel beim Fußballtraining routiniert ins Leere laufen. Im einen Eck steht die Dortmunder Staatsanwaltschaft, die das Amtsgericht Dortmund von der Notwendigkeit der Öffentlichkeitsfahndung überzeugte. Sie könne Fragen zu der Unverhältnismäßigkeit nicht beantworten, weil die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach das Verfahren übernommen habe und dort die Akte liege. Die dortige Staatsanwaltschaft erklärt, dass die Akte beim Amtsgericht Mönchengladbach liege und man die in Dortmund gefällte Entscheidung nicht kommentieren könne. Das Gladbacher Amtsgericht argumentiert ähnlich und bittet, bei der Dortmunder Staatsanwaltschaft nachzufragen.

Beim zweiten Abklappern der Dreiecksstationen zeigt die Gladbacher Staatsanwaltschaft ein gewisses Einsehen. Lothar Gathen, Dezernent des Verfahrens und stellvertretender Pressesprecher, versichert nach einem Gespräch mit der Dortmunder Staatsanwaltschaft der taz: „Wir gehen davon aus, dass die Entscheidung zur Öffentlichkeitsfahndung verhältnismäßig gewesen ist.“ Die Gladbacher szenekundigen Beamten hätten sich die Fotos, auf denen die angegriffenen Dortmunder Fans die Übeltäter erkannt hatten, zuvor genau angeschaut. Zudem habe man auch einen Zugang zur Gewalttäter-Datei-Sport gehabt. Die Frage, ob die betroffenen Gladbacher Fans dort geführt werden, könnte in dem konkreten Fall nur die Dortmunder Staatsanwaltschaft beantworten.

Die mangelnde Aufklärungsbereitschaft stärkt nicht gerade das Vertrauen darauf, dass in diesem Fall sorgfältig auf Recht und Gesetz geachtet wurde.

Deren Pressesprecher Henner Kruse verweist aber bekanntlich auf die fehlende Akte. Zwar könnte er, wie Lothar Gathen einräumt, diese in Gladbach beantragen, zumal eine Zweitakte angelegt wurde. Aber Gathen lässt ausrichten, die Dortmunder Staatsanwaltschaft sehe dazu derzeit keinen Anlass. Die mangelnde Aufklärungsbereitschaft stärkt nicht gerade das Vertrauen darauf, dass in diesem Fall sorgfältig auf Recht und Gesetz geachtet wurde. Gathen ist zwar fest davon überzeugt, aber dass die Dortmunder einen Staatsanwalt mit dem Fall betraut habe, der ansonsten nichts mit dem Fußball zu tun hat und dem die Insiderkenntnisse fehlen, das, sagt er, verwundere ihn ein wenig.

Jannik Sorgatz, Sportredakteur von der Rheinischen Post, erklärt, man habe ein gewisses Grundvertrauen gehabt, dass Öffentlichkeitsfahndungen nur nach gewissenhafter Prüfung erfolgen. Deshalb habe man die Fotos der Gesuchten abgebildet. Nach der Einstellung der vier Verfahren sei er aber misstrauischer geworden. Er sagt: „Das habe ich so noch nicht erlebt.“

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