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Fußball in DeutschlandBallade einer Dünnhäutigen

Die Frauen-Nationalmannschaft muss sich nach der EM neu finden. Für die kritisierte Bundestrainerin Steffi Jones läuft die Uhr.

Die kritisierte Steffi Jones bei der EM-Vorrunde gegen Schweden am 17. Juli Foto: dpa

Dortmund taz | Als Mitarbeiterin im Deutschen Fußballmuseum ist Annike Krahn gemeinhin bei Kindergeburtstagen oder Führungen im Einsatz. Die 32-jährige Bochumerin hat im deutschen Frauenfußball gewonnen, was zu gewinnen ist: ein Weltmeisterschaft und zwei Europameisterschaften, dazu kam im Vorjahr der Olympiasieg. Diesen Sommer beendete die Abwehrchefin endgültige ihre aktive Karriere, so dass die 137-fache Nationalspielerin bei der „Kick-off“-Veranstaltung zur am Wochenende beginnenden Frauen-Bundesliga ziemlich entspannt gleich noch die zweite DFB-Pokalrunde der Frauen ausgelost hat.

Währenddessen nutzte Steffi Jones die Zusammenkunft, zwischendrin beinahe jeden Bundesliga-Vertreter zu umarmen. Die Bundestrainerin hatte die Vereinstrainer kürzlich zuerst zur internen Analyse gebeten, nachdem das peinliche EM-Aus im Viertelfinale dem Ansehen eines deutschen Premiumprodukts einigen Schaden zugefügt hatte. Trotzdem hat der Verband den Vertrag mit der inzwischen in Gelsenkirchen lebenden Trainerin alsbald noch bis zur Frauen-WM 2019 ausgedehnt (mit Option bis 2020). Welche Lehren hat die Protagonistin inzwischen selbst gezogen?

„In erster Linie war ich mir gegenüber sehr, sehr selbstkritisch. Ich habe mich selbst reflektiert. Würde ich die Entscheidung mit der heutigen Erfahrung noch einmal treffen? An der einen oder anderen Stelle würde ich das nicht mehr machen“, erklärte Jones bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt. Am Spielstil, dem System mit einer Mittelfeldraute in offensiver Ausrichtung, will die 44-Jährige festhalten, wohl aber müssen die Feinjustierungen besser werden.

„Wir hatten sehr viel Ballbesitz, haben aber kaum 100-prozentige Chancen herausgespielt. Defensiv müssen wir schneller umschalten. Und auch von der Mentalität müssen wir mehr die deutschen Tugenden herauskehren.“ Dazu werde sie auch bei der Mannschaftsführung straffer vorgehen, „davon können Sie ausgehen“. Dass intern im deutschen Tross nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung herrschte, ist inzwischen verbürgt.

Der Kader wird verjüngt

Ihre „zweite Chance“, von der der DFB am 9. August in seiner Pressemitteilung gesprochen hatte, muss mit einer Neuausrichtung verbunden sein – das weiß das aus Frankfurt stammende Multitalent. Präsident Reinhard Grindel forderte gestern unverhohlen: „Sie muss das Leistungspotenzial der Spielerinnen offenlegen und dafür sorgen, dass es zur Geltung kommt.“

Er empfahl dazu öffentlich, eine feste Stammelf zu finden und bei einem Turnier nur „bis zu 14 Spielerinnen“ zu vertrauen.

Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass die Trainer-Novizin mehr Unterstützung von fachkundiger Seite braucht, wie sie einst bei den Männern zur WM 2006 der Teamchef Jürgen Klinsmann von einem gewissen Joachim Löw erhielt. Jones-Assistent Markus Högner ist wohl nicht ohne Grund für die Öffentlichkeit während der EM auf Tauchstation gegangen. Umso wichtiger ist es, die vakante zweite Assistentenstelle zu besetzen. „Wir erstellen derzeit das Anforderungsprofil, wir sind da völlig offen. Mann oder Frau spielt keine Rolle – es muss fachlich passen. Wir haben die Analyse noch nicht abgeschlossen“, erklärte Jones. Bewusst nicht ausgeschlossen von der weltgewandten Trainerin: eine internationale Lösung oder aus dem eigenen Juniorinnen-Bereich.

Auch das Gesicht des Kaders wird sich definitiv weiter verändern: Der Rücktritt von Anja Mittag, die mit Abstand erfahrenste EM-Teilnehmerin im deutschen Kader, ist wohl nur Vorbote eines Verjüngungsprozesses, wenn die Bundestrainerin am 5. September ihren Kader für den Auftakt der WM-Qualifikation gegen Slowenien in Ingolstadt (16. September) bekanntgibt. Dann wieder in Frankfurt in der Verbandszentrale.

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1 Kommentar

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  • "Dass intern im deutschen Tross nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung herrschte, ist inzwischen verbürgt."

     

    Aha, soso... "verbürgt". Das ist ja dann mal ein journalistisches Filetstück, das der "taz" da gelungen ist, wenn es "verbürgt" ist - also eine bezeugte Tatsachenbehauptung, die journalistisch kolportiert werden kann. Da kann man sich ja darauf freuen, dass demnächst mal genau berichtet werden wird, was da hinter den Kulissen gelaufen ist.