Fußball im TV: Bundesliga total verkauft
In der neuen Saison gibt es noch mehr Pay-TV-Fußball. Das geht auf Kosten der Stadionbesucher - und natürlich auf die der Free-TV-Zuschauer.
Wer gerne viel Erst- und Zweitligafußball im Fernsehen guckt und 300 Euro übrig hat, dem kann geholfen werden. So viel kostet ein von der Telekom angebotener Receiver, mit dem sich die Spiele der an diesem Wochenende beginnenden Saison 2009/10 gucken und aufzeichnen lassen.
Er ist Teil des Angebots von "Liga total", mit dem die Telekom in Konkurrenz zu Sky (bisheriger Name: Premiere) tritt, das bisher als einziger Anbieter in Deutschland alle Spiele live zeigte. Harald Schult, der Redaktionsleiter von "Liga total", meint gute Argumente für ein Abo zu haben: "Wir bauen ganz auf unser Konzept mit HD, Dolby Digital und Johannes B. Kerner, das es so bislang noch nicht gegeben hat." Die Einzigartigkeit der Mixtur ist unbestritten, aber auch eingefleischten Kerneristen reicht es möglicherweise aus, dass ihr Spezi viel beim Nichtbezahlsender Sat.1 herumturnen wird.
Die neue Konkurrenz beim Pay-TV ist nur ein Aspekt der veränderten Fernsehfußball-Marktlage. Die Gewinner sind die Fans, die quasi mit dem Fernseher verheiratet sind. Sie können ab sofort von Freitag bis Montag insgesamt mehr als 800 Minuten Livefußball sehen, weil es in der 1. Liga nun fünf verschiedene Anstoßzeiten gibt und in der 2. Liga vier. Schlechter dran sind Free-TV-Zuschauer, weil die "Sportschau" der ARD samstags nur noch fünf Erstligaspiele zeigen darf - eine Konzession der Deutschen Fußball-Liga (DFL) an Sky, das parallel ab 18.30 Uhr ein Topmatch überträgt. Zu den Verlierern der neuen Verhältnisse zählen auch Fans der 2. Liga, die sich Spiele im Stadion anschauen. Die Anstoßzeiten werden immer bizarrer: Samstags wird jetzt um 13 Uhr angepfiffen, sonntags um 13.30 Uhr.
Indem die DFL seine Spieltermine lieber an den Interessen des Pay-TV als an denen der Stadiongänger ausrichtet, offenbart sie, dass sie nur an "kurzfristiger Wertschöpfung" interessiert ist. So formuliert es Michael Meeske, Geschäftsführer des FC St. Pauli - der einzige Klub, der bei der Abstimmung der DFL-Mitglieder dem neuen TV-Vertrag nicht zugestimmt hat. Dabei ist es fraglich, ob Pay-TV und Free-TV künftig noch ähnliche Summen werden zahlen können wie bisher - vor allem, wenn man bedenkt, dass es immer bessere Möglichkeiten gibt, sich im Netz Live-Fußball kostenlos anzuschauen. In zehn Jahren wird sich die DFL womöglich darüber ärgern, dass sie die Argumente der traditionellen Fans ignoriert hat.
Während Free-TV-Zuschauer am Samstag benachteiligt sind, werden sie am Sonntagabend überversorgt. Mit Beginn der Saison dürfen die ARD-Anstalten ab 21.45 Uhr über die zwei (in Ausnahmefällen drei) Sonntagsspiele der 1. Liga berichten. Weil die ARD aber entschieden hat, nach dem Krimi weiterhin "Anne Will" auszustrahlen, obliegt die Erstnutzung der neuen Rechte den dritten Programmen.
Insgesamt produzieren sechs Landesrundfunkanstalten eigene Bundesliga-Sendungen, der SWR sogar je eine für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Muss das sein, zumal drei der beteiligten Sender - NDR, WDR, BR - bundesweit via Kabel zu empfangen sind? Ärgerlich ist auch, dass die Sendungen im Dritten verpflichtet sind, von jeder Partie mindestens vier Minuten zu zeigen. Wenn Bochum gegen Mönchengladbach spielt, wäre etwa der NDR wohl auch mit weniger Zeit ausgekommen, einen ausführlichen Bericht hätte der WDR bringen können. Stattdessen freuen sich nun die Sponsoren der Erstligaklubs über mehr Bildschirmpräsenz.
Dass die Rechte kontraproduktive Pflichten mit sich bringen, könnte sich auch bei den "Tagesthemen" zeigen. Sie sind vertraglich verpflichtet, insgesamt mindestens sechs Minuten der beiden Sonntagsspiele zu senden, obwohl die Sonntags-"Tagesthemen" oft nur 13 Minuten lang sind. Wenn zusätzlich auch noch von den Autofahrten Sebastian Vettels oder vom Wintersport berichtet wird, dürfte das zu einem unangemessenen Verhältnis zwischen Sport und Nichtsport führen, erst recht in brisanten welt- oder bundespolitischen Situationen. Frank Beckmann, Programmdirektor des für die "Tagesthemen" zuständigen NDR, sagt dazu: "Wenn es irgendwo brennt, wird man die Sendung verlängern." Das dürfe aber "nicht zur Regel werden".
Wichtiger ist jedoch, dass etwas anderes nicht zur Regel wird: Privatwirtschaftliche Interessenverbände wie die DFL sollten, so naiv das klingen mag, nicht beeinflussen können, in welchem Umfang ihre Mitglieder in öffentlich-rechtlichen Sportsendungen und in den "Tagesthemen" vorkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels