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Fußball-WM-QualifikationNationale Selbstfindung

Bosnien und Herzegowina kann am Mittwochabend die Türkei abhängen. Dabei geht es nicht nur um Fußball. Ein Erfolg könnte auch der inneren Integration des Landes dienen.

Hoffnungsträger Vedad Ibisevivc (l) während eines Freundschaftsspiels gegen den Iran. Bild: dpa

Freund Samir bleibt gelassen. "Wir haben vier Punkte Vorsprung, da reicht doch schon ein Unentschieden gegen die Türkei, für den zweiten Platz hinter Spanien." Er bestellt sich in der Kneipe des FC Sarajevo noch ein Bier. "Und wer sagt denn, dass wir nicht auch gegen Spanien gewinnen?"

Noch immer sprechen sie in Sarajevo von dem denkwürdigen Spiel in Madrid. Es ging um die Qualifikation zur Europameisterschaft im vergangenen Jahr. Damals, als Bosnien und Herzegowina kurz vor Schluss mit 1:0 in Führung lag und der Schiedsrichter neun lange Minuten nachspielen ließ, bis der spätere Europameister das 1:1 schaffte. "Das war doch reine Manipulation", ruft Samir. Hätte Bosnien und Herzegowina damals gewonnen, wäre der Weg zur Europameisterschaft geebnet gewesen. So wurde das Land Gruppendritter hinter Spanien und Serbien.

So etwas soll nicht mehr passieren. Zu Beginn der WM-Qualifikation war man nach all den Nackenschlägen noch pessimistisch, aber seit der Miroslav Blazevic, kurz Ciro, im Sommer vor einem Jahr das Traineramt übernommen hat, herrscht Zuversicht. Ciro ist ja nicht irgendwer. Dem aus der zentralbosnischen Stadt Travnik stammenden Trainer war es bei der Weltmeisterschaft 1998 gelungen, die kroatische Nationalmannschaft bis auf den dritten Platz zu führen. Jetzt ist der 73-jährige bosnische Kroate heimgekehrt. Und schon hat er die Mannschaft geformt.

Der jüngste Erfolg (2:0 in Armenien) war zwar ein Arbeitssieg und strahlte wenig Glanz aus. Aber das Spiel wurde gewonnen, obwohl der Wolfsburger Mittelfeldspieler und eigentlich unersetzliche Ideengeber Zvjezdan Misimovic fehlte. "Dieses Spiel ist kein Maßstab", wirft Samir ein. Gegen die Türkei seien alle wieder an Bord. Alle Spieler, so der Wolfsburger Stürmer Edin Dzeko, die Hoffenheimer Sejad Salihovic und Vedad Ibisevic oder der Cottbusser Verteidiger Ivan Radeljic, verdienen als Profis im Ausland ihr Geld - in Graz, Istanbul, Glasgow, Moskau, Lille, Athen, auch in Split und Zagreb. Aus der eigenen Liga dagegen kommt kein Einziger mehr.

"Da entwickeln sich bei uns junge Talente, und schwupps, werden sie weggekauft", bedauert Samir. Die eigene Liga dümpelt vor sich hin. Noch vor dem Krieg 1991 bis 1995, im alten Jugoslawien also, hatten es die bosnischen Teams aus Mostar, Sarajevo und Zenica einige Male in den Uefa-Cup geschafft. Doch diese Zeiten sind vorbei. Bei Zuschauerzahlen wie in den deutschen Regionalligen sind die Talente nicht zu halten.

"Die Qualifikation wäre so wichtig für das Land, hat Misimovic in einem Interview gesagt, was denkst du?" Samir antwortet: "Er hat vollkommen Recht. Schau mal, die meisten Spieler sind Bosniaken, also bosnische Muslime, nur ein bosnischer Serbe und zwei bosnische Kroaten sind dabei, immerhin ist der Trainer Katholik, also Kroate. Die meisten Bewohner aus der kroatischen und serbischen Volksgruppe identifizieren sich bisher mit den Nationalteams von Serbien oder Kroatien.

Schaffen wir die Qualifikation, würden viel mehr Leute sich mit Bosnien und Herzegowina identifizieren. Und nicht nur die Bosniaken." Wie brisant das Verhältnis der Volksgruppen in Bosnien und Herzegowina immer noch ist, zeigt sich auch im Fußball. Als die Türkei während der letzten Europameisterschaft 2008 gegen Kroatien in letzter Sekunde gewann, versammelten sich die frustrierten Anhänger der Kroaten mit kroatischen Flaggen und Trikots an der unsichtbaren Grenze der zwischen Kroaten und Bosniaken geteilten Stadt Mostar.

Die Gegenreaktion der durch den Aufmarsch provozierten Bosniaken ließ nicht lange auf sich warten. Bosniaken mit türkischen Fahnen und Trikots rückten an. Es kam zu Schlägereien, die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, die beiden Gruppen zu trennen.

"Jetzt geht es gemeinsam gegen die Türkei. Wir Muslime sind Freunde der Türken, das ist klar, aber hier geht es um die Qualifikation zur Weltmeisterschaft. Wir werden sie schlagen und uns als beste Zweite direkt qualifizieren", sagt Samir. Und bestellt noch ein Bier.

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3 Kommentare

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  • EB
    Ein Besserwisser

    Leider qualifiziert sich der beste Zweitplatzierte gar nicht direkt ... scheinbar finden sowohl Samir als auch der Autor die Qualifikation an sich nicht so bedeutsam, sondern nur die politische Brinsanz dahinter.

  • SS
    Spasti Spasti

    Wow...Rathfelder schreibt was ueber sport.

    Der scheint ja der totale Hansdampf in allen

    Themengebieten zu sein.

    Wo ist der obligatorische "Serbien ist Scheisse" Satz in diesem Artikel von ihm?

    Ich kann ihn nirgendwo entdecken?

    Ist das ein Druckfehler der TAZ oder ein geistiger Quantensprung des Authors?

     

    Auch egal...

    Unsere Nationalmannschaft hatte eine gute Chance

    Voelkerverbindend zu wirken.

    Irgendwie hat es aber dann doch nicht geklappt.

    Bei diesem spiel wird sich das wieder zeigen.

     

    Naja...egal...

  • M
    Marin

    Sehr leichtgläubig, sowohl vom taz-Autor wie auch von den Bosniaken, wenn sie glauben, Kroaten und Serben würden für Bosnien zittern.

     

    Wie ja geschrieben, die muslimischen Bosniaken waren auch eher für ihre türkischen Glaubensbrüder als für ihre kroatischen "Landsleute". Im Gegenteil, sie provozierten als türkische Vorhut lieber Schlägereien mit den Katholiken.

     

    Die Kroaten und Serben, welche in Folge unsinniger Grenzziehung im bosniakischen Staat leben müssen, interessiert die "Nationalmannschaft" dieser "Nation" überhaupt nicht, sie verabscheuen sie eher. Unabhängig davon qualifiziert sich Serbien eh direkt, und Kroatien wird es in der Qualifikation schaffen, eventuell ja sogar gegen diesen muslimischen Vorposten.

     

    Ein Kroate