Fußball-WM 2022: "Katar, es ist Katar"
Das kleine, aber reiche Emirat Katar ist auserkoren, 2022 die Fußball-WM auszurichten. Die ganze arabische Welt fühlt sich als Sieger.
KAIRO taz | Als Sepp Blatter den Umschlag öffnete und den Gewinner zur Ausrichtung der Fußball-WM für 2022 verkündete, vergaß der arabische Simultanübersetzer der Fernsehstation Al-Dschasira kurz seine Aufgabe und schrie einfach nur noch "Katar... Katar, es ist Katar" ins Mikrophon.
Für diesen kurzen Moment war das kleine Emirat am Golf mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern und einer Fläche von nur etwas mehr als 11.000 Quadratkilometern das größte Land der Welt.
Überall brach Jubel aus, denn kaum jemand hatte damit gerechnet. Auch wenn das Geschrei und Gehupe der - kleinen - Menschenmengen in der Hauptstadt Doha zwischen den großen Wolkenkratzern fast etwas verschluckt wurde. „Es ist so verrückt, dass es sogar funktionieren könnte“, heißt in einem der Internetblog aus Katar.
Von überall her kam es millionenfach, das arabische „Mabrouk“ – die Glückwünsche. Al-Dschasira hatte sie stundenlang auf den Nachrichtenbanner am untern Bildschirmrand laufen. Aus allen Ecken der arabischen Welt – über Facebook, Twitter und Internet-Blogs – gingen die Glückwünsche ein.
Fußball ist in der arabischen Welt der Volkssport Nummer Eins. Aber mit der Ausrichtung der Weltmeisterschaft gibt es ein Problem, denn die fußballerischen und finanziellen Möglichkeiten sind höchst ungleich verteilt. Die großen Fußballnationen wie Ägypten, Algerien oder Tunesien haben nicht die Mittel um eine WM auszurichten. Und die ölreichen Staaten am Golf haben keine besonders guten Teams. Katar steht auf der Weltrangliste auf Platz 113.
Die gestrige Entscheidung für Katar wurde eigentlich als Entscheidung für den gesamten arabischen Fußball verstanden. Wenngleich auch ein bisschen Neid zwischen den Zeilen zu lesen war. Gerade die Ägypter mit ihrer 7000jährigen Geschichte – und auch als fünfmaliger Afrikameister im Fußball – blicken gerne von oben herab auf den kleinen neuen Minigolfstaat, der weniger Einwohner hat als ein Armenviertel in Kairo.
Zeit und Geld hat das Emirat genug. Erst in zwölf Jahren muss das Ganze stehen. Und mit einem Wirtschaftswachstum von über 15 Prozent wird beim Bau der Stadien sicherlich nicht gespart werden. Die größte Herausforderung ist dabei die Hitze, die im Sommer, zur WM Zeit über 50 Grad erreichen kann.
Die überdachten Stadien sollen auf 27 Grad heruntergekühlt werden. Um dabei nicht das Klima zu belasten, wollen die Kataris auf etwas anderes zurückgreifen, das sie neben Geld im Überfluss besitze – die Sonne. Solaranlagen sollen die Energieversorgung gewährleisten.
Zumindest die Verbindungen zwischen den Stadien sind – anders als im acht Zeitzonen umspannenden Russland, dem Gewinner für die WM 2018 – kein Problem. Die Stadien in Katar liegen alle höchstens eine Stunde Fahrt voneinander entfernt und sollen per U-Bahn erreichbar sei. Der Bauauftrag dafür soll deutsche Firmen gehen.
Und noch eine Besonderheit hat Katar zu bieten. In der Ausschreibung zur WM hat das Emirat versprochen, nach der WM die Stadien abzubauen und an ärmere Entwicklungsländer zu verschenken.
Bleibt eigentlich nur noch ein WM-Problem für das konservative islamische Land: Ein Fußballfest ohne Bier dürfte für viele der erwarteten 400.00 Gäste schwer vorstellbar sein. Aber vielleicht erleben wir in 12 Jahren tatsächlich die erste WM ohne besoffene und grölende Fußballfans.
Bei der Hitze ist es ohnehin besser, sich an stark gesüßten Tee und Wasser zu halten. Ansonsten kann man den Fans ja diesmal statt Vuvuzelas, einfach massenhaft Wasserpfeifen in den jeweiligen Nationalfarben verkaufen. Die blubbern dann nur leise vor sich hin.
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