Fußball-Europapokal im Osten: Geldscheißers Hobby
Die K.-o-Runde beginnt für Dortmund und Hannover im wilden Fußballosten. Donezk ist längst etabliert. In Machatschkala startet ein neues Projekt.
Es ist wieder Oligarchen-Zeit im europäischen Fußball. Wenn am Mittwochabend Borussia Dortmund im Achtelfinale der Champions League bei Schachtjor Donezk spielt (20.40 Uhr, ZDF), werden sich viele zurückerinnern an die finsteren Geschichten, die während der EM im vergangenen Jahr aus der Ukraine erzählt wurden.
Einer der Protagonisten: Rinat Achmetow, der 13 Milliarden Euro schwere Multiunternehmer, dessen Macht weit in den Präsidentenpalast von Wiktor Janukowitsch hineinreicht. Der Multiunternehmer (Stahl, Kohle, Lebensmittel, Medien, Immobilien, Banken) ist für sein Land Ausbeuter und Wohltäter in einem. Einen kleinen Teil dessen, was er durch seine Monopolgeschäfte erwirtschaftet, spendiert er dem zu geringen Löhnen schuftenden Volk.
Manch moderne Klinik hat er finanziert, gibt sich als Förderer der Wissenschaften und hält sich mit Schachtjor Donezk einen Fußballklub, der längst in der Elite Europas angekommen ist. In der Kohle- und Stahlstadt ist ein modernes Fußballprojekt entstanden. Eine halbe Milliarde Euro hat Achmetow in den Bau eines modernen Trainingszentrums sowie der Arena gesteckt, in der man auch im ostukrainischen Winter dank beheizter Tribünen nicht frieren muss. Dieser sportlich nachhaltige Ansatz unterscheidet Achmetow von so manch anderem Mäzen, der allein in Prominenz investiert.
Schachtjors Erfolge, acht Meisterschaften seit 1995 und der Uefa-Pokalspieg 2009, basieren auf einer geschickten Mannschafts- und Einkaufspolitik. Während Trainer Mircea Lucescu in der Abwehr vor allem auf ukrainische Spieler vertraut, sind für Mittelfeld und Angriff neun brasilianische Spieler für Donezk am Ball. Gelockt werden die Brasilianer mit einem Leben in Saus und Braus und dem Versprechen, in Europa Karriere machen zu können.
Flügelspieler mit Spielmachertalent
Das ist auch Willian Borges da Silva versprochen worden, als er 2007 als 19 Jahre junger Mann von Corinthians São Paulo nach Donezk wechselte. 14 Millionen Euro war Achmetow der Flügelspieler mit Spielmachertalent wert. Willian wurde bald zum dominierenden Spieler seines Klubs und sogar für zwei Länderspiele nominiert.
Er war angekommen in Europa und in England rechnete man fest damit, dass der nun 24 Jahre alte Mann zum FC Chelsea oder Tottenham Hotspur wechseln würde. Doch die 35 Millionen Euro Ablöse, die in seinem Vertrag festgeschrieben waren, wollte in England keiner zahlen. Jetzt hat Willian beim Kaukasus-Klub Anschi Machatschkala unterschrieben und wird für diesen am Donnerstag in der Europa League gegen Hannover 96 spielen – womit wir bei einer weiteren Oligarchengeschichte wären.
Vielleicht glaubt Willian, über den Umweg Dagestan doch noch nach Westeuropa gelangen zu können. Derweil wird er sich in Moskau einrichten, wo die Spieler des Klubs trainieren, weil es in der größten der russischen Kaukasusrepubliken zu gefährlich ist. Morde und Terroranschläge machen ein normales Leben in dem Land unmöglich, dessen Ruhm Machatschkalas Klubbesitzer Suleiman Kerimow mittels sportlicher Erfolge mehren will.
Einfacher Mäzen
Milliardär Kerimow (Gas, Gold, Silber, Immobilien, Banken) ist ein Mäzen der einfachen Art, der die Spieler, die zu ihm kommen, mit seinem Geld regelrecht zuscheißt. Willian (2,5 Millionen Euro Jahresverdienst) freut sich, so hat er es gesagt, vor allem auf den kamerunischen Stürmer Samuel Eto’o, der für sein Engagement unerreichte 20 Millionen Euro netto verdienen soll. Der bestbezahlte Fußballer der Welt wird vom bestbezahlten Trainer der Welt angeleitet.
Der Niederländer Guus Hiddink hat Machatschkala auf Platz zwei der russischen Liga geführt und scheint sich über die Umstände seines Engagements kaum Gedanken zu machen. Dass der Kongolese Christopher Samba heilfroh war, als ihn die Queens Park Rangers Ende Januar aus seinem Vertrag herauskauften, konnte er nicht verstehen. Samba beklagte sich über den unerträglichen Rassismus in den Stadien.
Den kennt auch der brasilianische Weltmeister von 2002, Roberto Carlos, der mehr als ein Mal mit Bananen beworfen wurde, als er noch für Anschi gekickt hat. Das Salär, das er jetzt als Sportdirektor des Klubs kassiert, mag ihn dazu bewegen, das nicht an die große Glocke zu hängen. Neuling Willian macht sowieso noch gute Miene zu dem Spiel, das auf ihn zukommt. „Ich bin glücklich, bei Anschi zu sein“, sagt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja