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Fundamental-Malerei

Nikola Blašcović verwickelt mit der Ausstellung „Tiefer Grund“ die Besucher der Galerie Reinfeld in ein sinnliches Spiel von Zeit und Raum

Nikola Blašcović:„Die Sachen tragen ihre Ziele in sich selbst.“

Radikaler geht‘s kaum. Aber wohl auch nicht sanfter: Nichts weniger als die Verbindung von Raum und Zeit ist Thema von Nikola Blašcovićs Ausstellung „Ferner Grund“ in der Galerie Reinfeld.Nichts weniger also, als das Fundament aller Wirklichkeit.

Nein, Blašcović selbst würde diesen Anspruch wohl kaum erheben. Der Künstler, 1962 im kroatischen Zadar geboren, in Frankfurt am Main aufgewachsen und seit 1986 in Bremen beheimatet, enthält sich der Deutung. „Tiefer Grund habe ich als Titel gewählt, weil‘s mir gut gefallen hat“, sagt er.

Die einzelnen Bilder haben keine Namen. „Ich war zu faul.“ Und doch sind sie es, die das Thema formulieren – leise, fast beiläufig, aber beharrlich.

Dabei scheinen sie vordergründig von einer berührend naiven Harmlosigkeit: Da sind organische Formen zu erkennen, keck verbinden sich die Linien.

Ein Mobile dominiert Erker der Galerie: „Das war ursprünglich ein Quartettspiel“, erklärt Blašcović. Je vier der laminierten, kleinformatigen Buntstiftarbeiten bilden eine Serie. „Das hatte ich für einen Botschafts-Warteraum gemacht.“

Und doch ist diesen verspielten Bildern gemein, dass sie die Geschichte ihres Enstehens erzählen: Von ihrem Ursprung in einer bloßen, ihre zufällige Krümmung variierenden Linie bis hin zum farbigen Gemälde, das nur ein willkürlich gesetzter Schlusspunkt der Entwicklung ist. „Die Sachen“, so Blašcović, „tragen ihre Ziele in sich selbst.“ Auf diese Weise machen sie sich in ihrem heiteren Gestus die Zeit zum Thema.

Entstanden sind bis dahin, Jean Arps Wolkenplastiken nicht unähnlich, Figuren im Potentialis: Schattenrisse auf schillerndem Grund, die Köpfe darstellen könnten, oder Blumen, oder Vögel – und doch stets nicht mehr zu sein vorgeben, als schwarze Linien: Eine denkbare Welt, eine Kunst, deren Schein gerade darin besteht, für Nachahmung gehalten werden zu können, ohne es auch im Entferntesten zu sein: Das klingt abstrakt und höchst allegorisch – aber, und das ist das Erstaunlichste – zugleich sind die Arbeiten ungehemmt sinnlich.

Durch die Farben gewinnen sie an unbestimmter Tiefe.Und doch verzichten die Werke auf jegliche Simulation von Perspektive. Sie verharren im abstrakten Modus der Zeichnung. So leicht lässt sich Räumlichkeit in Frage stellen.

Und auf sie reagieren: Die markantesten Arbeiten der kleinen Schau sind eigens für die Galerie entstanden. Ihre Farbgebung setzt sich auseinander mit deren rotglänzenden Wänden, zu denen irisierende Violetttöne einen überraschenden Kontrast bilden.

Mit diesen Fundamentalthemen führt Blašcović die Betrachter auf ein nahezu unbegrenztes Feld der Assoziationen, genauer: Er lädt sie ein, ihre Gedanken als eigene Wirklichkeit in den Bildern zu entdecken. Oder wieder zu finden.

Besonders deutlich macht dieses ein ironischer Rückgriff auf das Medium der Videoinstallation: Einer Satellitenschüssel nachempfunden steht ein Gestell im Zentralraum, das mit einem Bildschirm verbunden ist.

Anstelle eines Firmen-Namens hat Blašcović in den silbrigen Eimer „Keine Ahnung“ eingetragen. Diese Pseudo-Apparatur ist verbunden mit einem Bildschirm. Den Videoloop aber hat der Künstler kaum anders als seine Leinwände gestaltet: In ihm überlagern sich eine dunkle Linie – und das Bild einer still ruhenden Wasserfläche.

In diese fallen in unregelmäßigen Abständen Regentropfen. Die Linie scheint indes auf den Impuls eingespielter akustischer Signale zu reagieren: Sie moduliert, variiert sich, bis sie eine nahezu erkennbare Form gefunden hat – und die nächste Klangsequenz folgt. Was für Klänge das seien? Der Künstler lächelt, als er die Frage beantwortet. „Das sind Pausenzeichen von Sendern.“

Benno Schirrmeister

Nikola Blašcović, Ferner Grund, Galerie Reinfeld, Am Weidedamm 7, montags, mittwochs und freitags von 12 bis 18 Uhr, samstags 11 bis 17 Uhr. Führung: morgen, 20 Uhr. Bis 23. Dezember

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