Für Muslim-Verbände zu liberal: Islam-Zentrum verliert Zuspruch
Muslimischen Verbänden ist der Lehrstuhl für Islam der Uni Münster zu liberal. Sie ziehen jegliche Zusammenarbeit mit Muhammad Sven Kalisch ab sofort zurück.
KÖLN taz Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) hat dem Münsteraner Centrum für religiöse Studien die Zusammenarbeit aufgekündigt - aus Protest gegen dessen Leiter Muhammad Sven Kalisch.
Es bestünde eine "erhebliche Diskrepanz" zwischen den Grundsätzen der islamischen Lehre und den veröffentlichten Positionen des bundesweit ersten Lehrstuhlinhabers für Religion des Islam. "Sogar den Koran als Wort Gottes und die Existenz des Propheten Mohammed stellt er inzwischen infrage", empört sich Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrats und derzeitige Sprecher des KRM. "Das ist nicht mit unserem Glauben zu vereinbaren."
Aus diesem Grund haben die KRM-Mitgliedsorganisationen - neben dem Islamrat die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, der Verband der Islamischen Kulturzentren und der Zentralrat der Muslime in Deutschland - am Freitag die Mitarbeit im Beirat des Centrums für religiöse Studien eingestellt. Außerdem würden sich die Verbände "nicht weiter in der Lage sehen, muslimischen Studierenden empfehlen zu können, sich an diesem Lehrstuhl einzuschreiben", so Kizilkaya.
Aufgabe Centrums für Religiöse Studien ist es, die interreligiöse Forschung im Bereich des Islams, der Orthodoxie und des Judentums zu vertiefen. Darüber hinaus bietet es einen Lehramtsstudiengang für Islamunterricht an öffentlichen Schulen an. Schon bei der Inthronisierung Kalischs auf seinen Lehrstuhl 2004 waren die muslimischen Verbände skeptisch. Denn der 42-jährige Professor gehört den Zaiditen an, einer kleinen schiitischen Strömung, die davon ausgeht, dass die Offenbarung im Sinne der Vernunft interpretiert werden muss. So hält es der gebürtige Hamburger auch für eine falsche fundamentalistische Vorstellung, "dass Gott so eine Art himmlisches Grundgesetz herabgesandt hat, wo man nur reingucken muss", sagte Kalisch.
Während der hitzigen Auseinandersetzung um die dänischen Mohammed-Karikaturen sorgte er für heftige Verärgerung in konservativ-muslimischen Kreisen, weil er nicht nur die islamistischen Gewaltexzesse verurteilte, sondern sich darüber hinaus gegen jegliche Zensur aussprach, "auch wenn dies religiöse Gefühlte verletzen mag."
Den jetzt verkündeten Ausstieg der KRM-Verbände sieht Kalisch gelassen. Eine große Herausforderung für den Islam in der Gegenwart bestünde darin, sich mit modernen historisch-kritischen Methoden auseinanderzusetzen, erklärte er: "Es ist schade, dass sich die islamischen Verbände dieser Herausforderung nicht stellen wollen." Seine Aufgabe sei es jedoch, Studierende zu kritischer Reflexion und geistiger Unabhängigkeit zu befähigen.
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