Fünf Jahre Dieselgate: Das Misstrauen bleibt
Der VW-Konzern stellt sich heute gerne als moralische Instanz dar. Tatsächlich hat sich der Autobauer nur bewegt, wenn er nicht anders konnte.
W olfsburg hat sie die „Volkswagen Group Essentials“ getauft, Leitsätze guten Konzernhandelns. Außerdem gibt es das „Role Model Program“ für die Chefs „zum Abbau von Machtdistanzen zur Förderung einer offenen Kritikkultur“. Angeblich wurden zudem 550.000 VW-Mitarbeiter in den ersten Monaten des Jahres mit einem Programm namens „Together4Integrity“ geschult.
Schade, dass es so weit kommen musste: Europas größter Konzern hat tatsächlich seine Mitarbeiter in tugendhaftem Agieren unterrichtet. Und jetzt? Ist es glaubhaft, dass sich VW fünf Jahre nach dem Auffliegen des systematischen Abgasbetrugs zum moralisch agierenden Unternehmen gewandelt hat? Können die KundInnen Volkswagen nun trotz Dieselgate vertrauen? Immerhin: VW hat bislang als einziger der Schummelkonzerne zugegeben, Abgaswerte systematisch gedrückt zu haben.
Allerdings: Stets gingen die Volkswagen-Manager erst in Büßerstellung, wenn es gar nicht mehr anders ging. In den USA, wo der Skandal durch die peniblen Nachforschungen der kalifornischen Umweltbehörde begann, versuchte VW die systematischen Manipulationen zunächst noch mit Rückrufen zu vertuschen. Trotz weltweiter Folgekosten in Höhe von inzwischen 33 Milliarden Euro hat sich Volkswagen in Deutschland jahrelang geweigert, KundInnen zu entschädigen. Erst Ende dieses Jahres sollen die letzten Vergleiche mit 50.000 DieselbesitzerInnen geschlossen worden sein.
Klingt nicht nach ehrlicher Reue, sondern nach Konzernjustitiaren und -strategen, die stets eine feine Linie ziehen zwischen: Was müssen wir tun, um einer Strafe zu entgehen – und was nicht?
2015 Dieselgate, 2005 die Affäre um geheime Boni, Schmiergelder und Bordellorgien von Betriebsratsmitgliedern. Volkswagen steht für einen weltweiten Megakonzern, für Käfer und Golf, für Mobilität für viele. Wahrscheinlich, dass der Kadavergehorsam bei VW nicht nur zur Größe, sondern auch zu den Grenzüberschreitungen geführt hat – und Teil des „Systems VW“ ist.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an