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Führungswahl bei Frankreichs SozialistenDer geschwächte Vorsitzende und die Einheit der Linken

Denkbar knapp ist Olivier Faure als Parteichef der französischen Sozialisten wiedergewählt worden. Die Partei kämpft weiter mit Abstiegsängsten.

Muss die Sozialisten zusammenhalten: Parteichef Oliver Faure Foto: Stephanie Lecocq/reuters

Paris taz | Olivier Faure ist als Parteivorsitzender der Parti Socialiste (PS) für ein viertes Mandat wiedergewählt worden. Seine Hauptaufgabe besteht immer noch darin, diese Partei mit ruhmreicher Vergangenheit vor dem Untergang zu retten. Er selber konnte er sich seit 2018, nie wirklich sattelfest fühlen an der Spitze der Sozialisten die bei jeder Wahl um den Abstieg in die Kategorie der Splitterparteien bangen müssen.

Bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2022 kam die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo als PS-Kandidatin auf 1,75 Prozent… Jetzt ist Faure mit nur 50,9 Prozent im zweiten Durchgang als Parteichef wiedergewählt worden, nicht gerade eine Stärkung seiner Position.

Anfangs fühlte er sich in Paris als Provinzler fehl am Platz, zu Beginn seiner politischen Karriere bei den Sozialisten gar als „Hochstapler“. Das gestand er in einem autobiografischen Buch. Darin ist von seiner bescheidenen Herkunft und seiner Kindheit in Orléans die Rede, von seinem offen rechtsextremistisch eingestellten Vater und von seiner vietnamesischen Mutter. In der Schule wurde er wegen seiner asiatischen Gesichtszüge als „Chinese“ und „Reisschale“ gehänselt. Heute bezeichnet er sich, nicht ohne Stolz, als „Mischblutfranzose“.

Er galt in der Partei lange als „Mitarbeiter“, er war Assistent von Martine Aubry, von François Hollande, Jean-Marc Ayrault. Jetzt ist er Nummer eins, aber kein unbestrittener Boss. Trotzdem argumentierte sein Konkurrent im Kampf um den Vorsitz, Nicolas Mayer-Rossignol, Faure hege eine heimliche Ambition, sich als Kandidat bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nominieren zu lassen – was dieser trotz seiner fast legendären Bescheidenheit nicht definitiv dementierte.

Seit der Wahl von Präsident Emmanuel Macron, der 2017 als Außenseiter der Mitte die ehemalige linke Regierungspartei völlig an den Rand gedrängt hatte, steckt die PS in der Krise. Nicht nur bisherige sozialistische Wähler*innen, sondern – angezogen vor der Aussicht auf Ministerposten – auch bisherige Führungsfiguren liefen angezogen vom Reformprogramm zum Liberalen Macron über. Viele von ihnen sind mittlerweile enttäuscht, in den Schoß der PS sind sie aber nicht zurückgekehrt.

Dass diese Partei, die mit François Mitterrand (1981-1995) und François Hollande (2012-2017) an der Macht war, nicht ganz untergegangen ist, sondern 2024 die Zahl ihrer Abgeordneten in der Nationalversammlung auf 66 verdoppelt hat, verdankt sie einzig und allein der Wahlallianz NUPES mit den Grünen, Kommunisten und La France insoumise (LFI). Dass diese Linksunion überhaupt zustande kam, war unter anderem auch Faures Verdienst. Doch heute spaltet die Sozialisten mehr denn je die Bündnisfrage, und insbesondere der Umgang mit dem linkspopulistischen LFI-Boss Jean-Luc Mélenchon.

Wie die alte Garde der Partei um François Hollande schließt Faures Konkurrent Mayer-Rossignol im Hinblick auf 2027 eine erneuerte Allianz mit LFI aus. Faure sieht zwar in Mélenchon auch keinen akzeptablen Partner mehr, er will aber eine Zusammenarbeit mit LFI-Leuten fortsetzen, vor allem mit prominenten Mélenchon-Kritikern unter ihnen.

Während Mayer-Rossignol wie die „Elefanten“ etwas nostalgisch davon träumt, dass die PS wieder eine „große Partei mit 100'000 Mitgliedern“ werden könne, verteidigt Faure eine linke Union „von Ruffin bis Glucksmann“ (der aus der LFI ausgetretene François Ruffin und der Linksliberale Raphaël Glucksmann wollen 2027 beide – wie Mélenchon ohnehin -- bei den Präsidentschaftswahlen antreten).

Dass nun die Linie von Faure so knapp gewonnen hat, ist keine Garantie für den Fortbestand der Einheit der Linken in Hinblick auf die kommenden Wahlen, sondern schwächt sie eher noch zusätzlich. Und beim PS-Parteikongress Mitte des Monats in Nancy muss sich der auf Bewährung wiedergewählte „Chef“ zunächst seine Autorität festigen und seine Linie rechtfertigen.

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