Führungsvakuum bei der OSZE: Krise mit Ansagen
Immer mehr Staaten der OSZE halten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für entbehrlich. Das Konfliktpotenzial wächst.
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D ass mit den Umbrüchen im ehemaligen Ostblock das einst von Francis Fukuyama vorausgesagte Ende der Geschichte nicht eingetreten ist, veranschaulicht gerade die Krise in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Der Streit über die Neubesetzung oder Verlängerung der vier Führungsposten offenbart, dass sich vor allem im Orbit Russlands neue Gräben auftun oder alte Gräben nie solide zugeschaufelt wurden.
Dass ausgerechnet Aserbaidschan die Krise losgetreten hat, ist kein Zufall. Schon 2015 wurde eine OSZE-Feldmission aus dem Land komplimentiert. Die Beobachter, die über den 1991 geschlossenen Waffenstillstand im zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittenen Gebiet Berg-Karabach wachen sollen, mussten fortan auf politische Berichterstattung, einschließlich der Frühwarnung bei entstehenden Konflikten, weitgehend verzichten.
Gerade das sind aber Kernkompetenzen der 1975 in Helsinki gegründeten Organisation. Damals ging es um Entspannung zwischen und Abrüstung in Ost und West. Für die Dissidenten im Sowjetreich war das von allen Regierungen unterzeichnete Dokument ein willkommenes Instrument, ihre Regierungen an die versprochenen Freiheiten zu erinnern.
Unter den heute 57 Mitgliedstaaten sind zwar Demokratien nach westlichem Zuschnitt in der Mehrheit, doch wächst die Anzahl der Regimes, die Opposition und Versammlungsfreiheit, plurale Medien und eine aktive Zivilgesellschaft für entbehrlich, ja störend halten. Wahlbeobachtermissionen der OSZE und Ratschläge für die Stärkung des Rechtsstaats werden als lästige Bevormundung betrachtet. So war es nur eine Frage der Zeit, bis es zum Eklat kommen würde.
Das Erfolgsgeheimnis der Organisation lag in ihrer Diskretion. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wurden akute Konflikte entschärft oder zumindest eingefroren. In der Ostukraine und den von Russland beanspruchten georgischen Territorien Abchasien und Südossetien wurden viele Menschenleben gerettet, wenn auch keine Lösung erreicht. Denn jeder Beschluss muss im Konsens der 57 Mitglieder getroffen werden. Dass der schwelende Konflikt jetzt internationale Schlagzeilen macht, erleichtert die Einigung nicht.
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