Führungsstreit in der AfD: Lucke setzt sich durch
Ab Dezember soll die AfD nur noch einen Parteichef haben. Wie weit nach rechts die Partei rückt, ist damit aber noch nicht entschieden.
BERLIN taz | Der Showdown auf dem Parteitag in Bremen in zwei Wochen fällt aus: Die Parteispitze der Alternative für Deutschland (AfD) hat ihren monatelangen Streit beigelegt und sich auf einen Kompromiss für die künftige Führungsstruktur geeinigt.
Die Partei soll bis Ende November von einer Doppelspitze geführt werden. Ab Dezember dann soll es nur noch einen Vorsitzenden geben. Diesen Vorschlag wird die Bundesspitze dem Parteitag in Bremen nun vorlegen.
Damit hat sich Bernd Lucke, der zum wirtschaftsliberalen Flügel der Partei gehört, durchgesetzt. Er hatte angedroht, nicht mehr für die Parteispitze zu kandidieren, wenn diese nicht auf eine Person reduziert werde. Sehr wahrscheinlich ist, dass Lucke in knapp einem Jahr alleiniger AfD-Chef sein wird.
Lucke ist der prominenteste Kopf der AfD und schafft es immer wieder, die Partei zusammenzuhalten. Ohne ihn würde die AfD ihren ohnehin geschwächten wirtschaftsliberalen Flügel verlieren – und damit einen wichtigen Teil der WählerInnen. Sein Abtritt könnte den Anfang von Ende der AfD einläuten. Das wissen auch seine GegenspielerInnen in der Partei.
Kompromiss mit dem Gutsherren
„Wir wollten nie ohne Bernd Lucke“, sagte denn auch Frauke Petry am Freitag der taz. Auch wenn sie nicht von einer Niederlage sprechen will, sondern von einem „guten Kompromiss, bei dem sich beide Seite bewegt haben“. Für sie und ihre Mitstreiter ist es einer.
Petry, bislang formal gemeinsam mit Lucke und dem Publizisten Konrad Adam eine der drei gleichberechtigten SprecherInnen der Partei und sächsische Landeschefin, wollte Luckes Alleingang verhindern. Unterstützt wurde sie dabei lautstark von Alexander Gauland, bislang Partei-Vize und Chef in Brandenburg. In einem Brief warfen sie Lucke „Führung nach Gutsherrenart“ vor.
Gauland hatte Lucke bereits zuvor öffentlich einen „Kontrollfreak“ genannt und stets verkündet, wenn sich die Partei sowohl inhaltlich als auch von der Mitgliederschaft nun breiter aufstelle, sei es unsinnig, gleichzeitig die Parteispitze zu verengen. Petry und Gauland werden anders als Lucke beide dem nationalkonservativen Flügel der Partei zugerechnet. Während beide mit Pegida heftig flirteten – Gauland demonstrierte mit, Petry traf sich mit den Organisatoren, um Gemeinsamkeiten auszuloten – warnte Lucke vor einem Schulterschluss.
Neuwahl im Mai
Sie habe „die Mehrfachspitze“ verteidigt, damit während des Programmprozesses die inhaltliche Vielfalt nicht eingeschränkt werde, sagt Petry nun. Die AfD will bis zum Herbst ein Grundsatzprogramm erarbeiten, über das auf einem Parteitag im November abgestimmt werden soll. „Inhalte werden immer durch Personen repräsentiert“, so Petry. „Mit einem Vorsitzenden würde der Programmprozess präjudiziert, auch wenn Bernd Lucke das vielleicht gar nicht wollte.“
Auf dem Parteitag Ende des Monats soll nun über die künftige Führungsstruktur abgestimmt werden. Spätestens bis Ende April werden dann zwei neue Parteichefs in getrennten Wahlgängen bestimmt. Der Erste wird automatisch ab Dezember alleiniger Vorsitzender sein.
Petry will für die Doppelspitze kandidieren – als zweite Vorsitzende. Adam, bislang der dritte Mann an der Spitze, sagte am Freitag der taz, er habe sich noch nicht endgültig entschieden, ob er antrete. Große Chancen hat er ohnehin nicht. Viel spricht dafür, dass der künftige Parteichef Lucke heißt und Petry zunächst seine Co-Vorsitzende, dann eine seiner StellvertreterInnen sein wird.
Damit dürfte der Kampf um die Führungsspitze vorerst entschieden sein. Umstritten aber ist weiterhin, wie weit nach rechts sich die AfD bewegt. Die drei ostdeutschen Landesverbände, die für einen Rechtsruck stehen, haben durch ihre guten Ergebnisse bei den Landtagswahlen an Stärke gewonnen. Lucke gehört zwar zum wirtschaftsliberalen Flügel und will die Partei von Rechtsextremen klar abgrenzen, letzlich aber ist er pragmatisch. Schon einige Male hat er die Flanke nach rechts geöffnet, um die Kluft an der Parteispitze nicht zu groß werden zu lassen – oder wenn es ihm vor Wahlen erfolgversprechend erschien.
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