Führungskrise bei Österreichs FPÖ: Hofer geht, Kickl kommt wohl
Mitten im Machtkampf bei Österreichs Rechtspopulisten FPÖ geht der Parteichef. Hintergrund ist wohl auch ein Streit mit Fraktionschef Kickl.

Der wahrscheinliche Nachfolger heißt Herbert Kickl und war gerade mit einer Schar von Anhängern auf dem Wiener Hausberg Rax wandern. Hofer und Kickl hatten nach dem Abgang von Heinz-Christian Strache im Gefolge der Ibiza-Affaire vor zwei Jahren die rechte Partei als Doppelspitze übernommen. Hofer übernahm den Vorsitz, Kickl die Fraktionsführung.
Hofer war für den verbindlichen Diskurs zuständig und als Dritter Nationalratspräsident auch für die Einhaltung der Etikette. Kickl, der als aggressiver Redenschreiber und Sprücheklopfer immer in der zweiten Reihe gestanden war, mauserte sich zum Volkstribun, der die Anhängerschaft aufhetzte und sich den Slogan „Kurz muss weg!“ zu eigen machte. Er hatte sich zuletzt einen Kleinkrieg mit Hofer geliefert und sich selbst als geeigneten Mann für die Spitzenkandidatur ins Spiel gebracht.
Angesichts der Krise in der ÖVP rechnet er mit baldigen Neuwahlen. Mit dem Kanzler verbindet ihn ein ehrlicher Hass, seit Sebastian Kurz nach dem Ibiza-Video die Regierung platzen ließ, um ihn als Innenminister loszuwerden. Auf dem heimlich aufgenommenen Video hatte der damalige Parteichef Strache einer vermeintlichen Oligarchennichte fette Staatsaufträge in Aussicht gestellt, wenn sie ihn durch großzügige Wahlspenden in die Regierung bringe.
Kickls aggressiver Populismus
Kickl hat in der Corona-Krise die nicht unbeträchtliche Schar der Virusleugner und Lockdowngegner als neuen Wählerpool entdeckt und die FPÖ mit seinem aggressiven Populismus wieder auf fast 20 Prozent in den Umfragen hochgepusht. Bei den Wahlen 2019 war sie auf 16 Prozent abgesackt, in Wien 2020 von fast 30 auf unter 10 Prozent abgestürzt. Der Journalist und FPÖ-Veteran Andreas Mölzer, Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift Zur Zeit, hält Kickl deshalb für geeignet, die Partei zu übernehmen. Auch wenn die FPÖ damit für die nächste Zeit in der Opposition verbleiben werde.
Keine Freude mit dem Abgang von Hofer hat Manfred Haimbuchner, der als Landeshauptmannstellvertreter in Oberösterreich in aufrechter Koalition mit der ÖVP steht und Ende September Landtagswahlen zu schlagen hat. Ein Parteichef, der jeden Tag Gift und Galle gegen seinen Regierungspartner spuckt, kann ihm nicht gelegen kommen. In einer ersten Stellungnahme hofft er, „dass es gut und anständig weitergeht“ und „dass man das Einende vor das Trennende stellt und das Intrigenspiel einstellt“.
Für Bundeskanzler Sebastian Kurz bedeutet der Abgang von Hofer eine mögliche Koalitionsvariante weniger. Die Versuchung, seine Koalition mit den Grünen zu sprengen, um wieder die ideologisch viel nähere FPÖ ins Boot zu holen, wird es unter Kickl nicht geben. Dafür ist die Wahrscheinlichkeit höher, die 265.000 Wählerinnen und Wähler zu halten, die zuletzt von der FPÖ zur ÖVP gewandert sind.
Hofer verabschiedet sich vorerst nicht aus der Politik. Er will Dritter Nationalratspräsident bleiben und spekuliert auch mit einem Antreten bei den Bundespräsidentschaftswahlen im nächsten Jahr. 2016 ist er nur knapp am Grünen Alexander Van der Bellen gescheitert. Seinen Posten an der FPÖ-Spitze übernahm in der Zwischenzeit sein bisheriger Stellvertreter Harald Stefan, der demnächst einen Sonderparteitag einberufen wird, wo der neue Bundesparteiobmann gewählt wird.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!