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"Führer" aus WachsPosieren mit Hitler verboten

Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett zeigt Adolf Hitler als müden Mann. Den "Führer" angucken ist erlaubt - doch wer ihn fotografiert, fliegt raus.

Der späte Hitler aus Wachs - "geschmacklos", findet Lea Rosh. Bild: reuters

Er steht nicht, er sitzt. Leicht über einen Tisch gebeugt, die rechte Hand auf einem Buch, die Haare zu weit nach vorne gekämmt, der Blick wirr. An der Wand die obligatorische Landkarte mit dem Deutschen Reich und dem, was es wohl mal werden sollte. Über ihm surren Ventilatoren, die im vermeintlichen Bunker für die Belüftung sorgen sollen, die Beleuchtung taucht die Szene in ein düsteres Licht.

Adolf Hilter ist zurück in Berlin, im Wachsfigurenkabinett von Madame Tussaud, das am Samstag seine Filiale Unter den Linden eröffnet. Das neue Hitler-Bild soll nur zu sehen bekommen, wer die knapp 20 Euro Eintritt auf den Tisch legt. Zwar setzen die Ausstellungsmacher auf Interaktivität. Besucher dürfen ein Tor bei Oliver Kahn schießen, mit den Beatles Gitarre spielen. Nur Hitler ist nicht interaktiv. Er muss hinter seinem Tisch bleiben und die Besucher auf der anderen Seite des Absperrbandes. Fotografieren ist verboten. "Aus Respekt gegenüber Millionen Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs umgekommen sind", so erklärt eine Tafel, sei das Berühren und Posieren mit der Figur nicht gestattet.

Das Verbot ist auch das Ergebnis einer Debatte im Vorfeld der Ausstellung. So fand es der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel, "geschmacklos", Hitler als Wachsfigur zu präsentieren. Und Lea Rosh, die Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, befürchtete, die geschichtliche Auseinandersetzung würde zu Konsum verkommen.

Die Aussteller halten dagegen: "Wir wollten Hitler in seinen letzten Tagen als gebrochenen, alten Mann darstellen", erklärt Susanne Keller, Managerin der Ausstellung. So habe man auch rechtsextremem Publikum den Wind aus den Segeln nehmen wollen.

Doch gebrochen wirkt der Mann nicht. Ein bisschen müde vielleicht, aber durchaus noch in der Lage, wütend aufzuspringen. Dazu wird der Figur eine ganz besondere Ehre zuteil: Ein persönlicher Bodyguard samt Videoüberwachung. Wer trotz Verbot ein Foto schießt, fliegt raus.

Die Londoner Kollegen von Madame Tussauds sehen das nicht so eng: Dort steht Hitler in Uniform und mit geballter Faust. Er darf fotografiert werden - einzeln und mit Besuchern zusammen. Zu rechtsextremen Zwischenfällen sei es bislang nicht gekommen, heißt es offiziell. Tatsächlich finden sich aber im Internet Bilder, auf denen Besucher neben der Wachsfigur den Hitlergruß zeigen.

Die Aussteller in Berlin legen derweil Wert darauf, nicht auf die Hitler-Figur reduziert zu werden. Schließlich gebe es noch 74 weitere Modelle. Die sind leider unspektakulär - die meisten könnten so auch auf der Titelseite einer Klatschzeitschrift auftauchen: Angelina Jolie Seite an Seite mit Brad Pitt, Franz Beckenbauer mit Fußball oder Nicole Kidman, unverbindlich durch den Rahmen eines nicht vorhandenen Spiegels lächelnd.

Und die wirklich spannenden Fragen beantwortet die Ausstellung nicht. Zum Beispiel, wie viel Geld von Haribo kommt, das in den "Wetten dass …"-Mitschnitten, die hinter dem wächsernen Thomas Gottschalk laufen, kräftig beworben wird. Oder warum die Debatte um Geschmack und Geschmacklosigkeit nicht auch bei Walter Ulbricht oder Otto von Bismarck geführt wurde.

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10 Kommentare

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  • A
    anke

    Die eine hat einen Streifen zu viel, der andere einen Kopf zu wenig. Und wenn nun nicht beide Symbol wären, hätten sie es niemals-nicht bis in die (Tages-)Zeitung geschafft. Welch ein denkwürdiger Sommer, liebe Leser...!

  • K
    Knorf

    kleine episode aus dem pannoptikum des grauens: es ging einmal ein kleiner mann auf den (wachs)führer zu. sein kleines herzchen pochte hart in anbetracht des treffens mit ihm, dem führer.

    vor dem schreibtisch schlug er sich die faust an die brust, nahm all seinen mut zusammen und grüßte den "führer" mit dem ihm genehmen deutschen gruß.

    da der mann sehr klein war lag seine grußhöhe genau auf höhe des führerhalses, der durch die messerscharf gehaltene grußhand wie butter durch warmen kruppstahl durchtrennt wurde.

    "mein führer ihr lass es an haltung fehlen", sagte der kleine mann. "so ist das deutsche reich nun kopflos."

     

    was für eine ironie. bitte nicht reparieren den mann. das wäre ein grober fall von geschichtsverfälschung.

  • DB
    Dietmar Brach

    Da ist ja richtig was los im Wachsfigurenkabinett. Helmut Kohl beschwert sich über seinen Doppelgänger. Vielleicht hätte er gerne persönlich dort gestanden. Das er unendlich lange schweigen kann hat er ja in der Spendenaffäre bewiesen.

    Gleichzeitig reisst ein Arbeitsloser Hitler den Kopf ab. Eigentlich ein Beweis dafür, dass mangelnde Bildung nicht der Grund für Arbeitslosigkeit in Deutschland ist. Und wenn Stauffenberg heute noch als Held gefeiert wird, wie kann man dann den Mann der Hitler köpfte verurteilen ?

     

    Dietmar Brach, Wiesbaden

  • C
    chw

    Dem den Kopp abschlagen?!

    Coole Aktion,

    auch wenns viel zu spät ist.

  • R
    Robert

    Ha! Voll gefetzt diggah!

  • AH
    Andrea Hofacker

    Jo, ne, hat sich denn eh jetzt erledigt die Diskussion, Adolf ist ja nun kopflos :-)

  • T
    TomTom

    Den "Vogel zu tabuisieren" ist ein Fehler, so wird er nur für bestimmte Leute interessant, da Verbotenes immer interessant ist.

    Deutschland sollte offen mit dem Vogel umgehen.

  • PA
    Peter Anton

    Sind wir etwa ein Staat ohne Vergangenheit? Sollen wir nur als Geschichte betrachten was Andere für richtig halten? Die NS-Zeit ist ein düsteres Kapitel

    unserer Geschichte, aber soll man sie deswegen unter

    den Teppich kehren und sie erst dann wieder hervorholen wenn Andere uns die Gräueltaten wieder einmal

    unter die Nase reiben wollen? Hitler war Österreicher - aber er hat leider die deutsche

    Geschichte mitgeprägt.

  • IN
    Ihr Namelieberfreistattbayer

    dem kann man sich nur anschließen

  • G
    Gudix

    Zur Vergangenheitsbewältigung gehört, daß man auch die dunklen Kapitel der Geschichte darstellt. Diese hochneurotische und fast schon fetischistische Hysterie, die die "Opferlobbys" an den Tag legen, ist für die Aufklärung eher ein Hemmschuh.