Froschart in Kolumbien: Klein, laut und invasiv
Für Kolumbiens Artenvielfalt ist der laut pfeifende „Schickimickifrosch“ eine Bedrohung. Politikerïnnen sehen seiner Ausbreitung tatenlos zu.
Hüpfen kann er maximal drei bis vier Meter weit. Man hat ihn buchstäblich von seiner Karibikinsel weggetragen – auf exotischen Zierpflanzen. Da diese vor allem in den Vorgärten in reicheren Vierteln Kolumbiens landeten, betiteln einheimische Medien den Frosch deshalb als „rana gomela“ – Schickimickifrosch.
Längst ist er auch in ärmeren Wohngegenden zu finden. Und er hat sich aus den warmen Städten im Tiefland bis auf 1.700 Meter Höhe verbreitet. Die Sorge von Forscherïnnen ist, dass er in einmalige Ökosysteme gelangt wie den tropischen Trockenwald und Andenausläufer.
Kolumbien ist nach Brasilien das zweitartenreichste Land der Welt. Wenn Fremdlinge einfallen, kann das schlimme Folgen haben. Laut einem aktuellen Bericht der UN-Plattform für zwischenstaatliche Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen (IPBES) sind tierische, pflanzliche und mikrobiotische Invasoren eine der fünf Hauptursachen für das Schwinden biologischer Vielfalt. Die anderen vier sind: veränderte Land- und Meeresnutzung, Ausbeutung von Arten, Klimawandel und Umweltverschmutzung.
Amphibien sind anfällig für Krankheiten
Amphibien sind besonders anfällig für Parasiten oder Krankheitserreger, die sie über ihre Haut aufnehmen. Auf Eleutherodactylus johnstonei wiesen Forscherïnnen einen Pilz nach, der in den 90ern für ein Massensterben unter Amphibien in Australien, den USA und der Andenregion sorgte – und diese weltweit zur bedrohtesten Wirbeltier-Klasse machte. In Kolumbien dezimierte der Pilz Amphibienarten massiv und rottete manche sogar aus, sagt Sandra Galeano, Frosch-Expertin am Humboldt-Institut in Bogotá.
Neben Krankheiten besteht immer die Gefahr, dass die Fremdlinge den einheimischen Fröschen die Nahrung wegfressen oder diese mit ihrem penetranten Gepfeife vertreiben. Ihr Vorteil: Sie brauchen kein Gewässer, um sich fortzupflanzen. Aus den Eiern schlüpfen direkt kleine Frösche. Das Kaulquappen-Stadium überspringen sie.
Und wie geht’s Frosch und Mensch? Auf Hawaii ist eine Pfeiffrosch-Art aus Puerto Rico ein Problem für Immobilienbesitzerïnnen geworden. Weil Urlauberïnnen Ruhe statt penetrantes Gepfeife im Karibikparadies suchen, fielen die Eigentumspreise.
Von den lärmresistenteren Kolumbianerïnnen fühlen sich laut einer Umfrage des Biologen Daniel Osorio von der Universität Javeriana in Cali nur elf Prozent gestört vom Gesang – 47 Prozent gefällt er sogar. „Sie fühlen sich dadurch der Natur näher“, sagt Biologe Daniel Osorio.
Bei invasiven Arten gilt das Vorsorgeprinzip – eigentlich
Längst müsste etwas passieren. Doch auf der Liste des Umweltministeriums steht der Frosch bis heute mit einem falschen Namen. Ein erster Schritt müsste sein, sie zu aktualisieren und das Risiko neu einzuschätzen, sagt María Piedad Baptiste, Spezialistin für invasive Arten am Humboldt-Institut. In Sachen invasive Arten gilt das Vorsorgeprinzip: Auch wenn die Wissensbasis unvollständig ist, müssen denkbare Schäden für die Umwelt im Voraus vermieden oder verringert werden. Das ist zudem am effektivsten und billigsten.
Doch laut einer Studie der Stanford-Universität hat die Biodiversitätspolitik Kolumbiens der letzten 60 Jahre große Schwächen. Lücken gab es vor allem beim Wildtierschmuggel – und bei invasiven Arten. Auch die Pläne für den Kampf gegen den Pfeiffrosch verstauben. Würden die Behörden loslegen, bliebe für Biologe Daniel Osorio ein Problem: „Was machen wir mit den Leuten und ihrer Liebe zur Natur, selbst zu einer invasiven Art?“ Da könnte sich Widerstand regen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos