Friedrichshainer Kulturort gekündigt: Bedrohte Zukunft
Dem Zukunft am Ostkreuz wurde gekündigt. In der Bezirksverordnetenversammlung wird am Mittwoch über einen Rettungsantrag abgestimmt.
Sven Loose, der Verantwortliche für das Programm in den Kinos, ist darum bemüht, sich sehr vorsichtig gegenüber der Presse zu dem Vorgang zu äußern. Zum Eigentümer möchte er kaum etwas mitteilen, er sagt auch nicht, wer dieser überhaupt ist. Man will diesen offensichtlich nicht verärgern in der Hoffnung, diesem die Kündigung vielleicht doch noch ausreden zu können.
Vor ziemlich genau zehn Jahren enstand das Kulturzentrum an der Laskerstraße, ganz in der Nähe zum Technoclub About Blank. Erschlossen wurde dafür ein völlig verfallenes Gelände. Über die Jahre hinweg enstand hier ein über den Kiez hinaus beliebter Ort, der vielfältige Kultur anbietet. Neben den Kinos finden hier Konzerte und Ausstellungen statt. Nachdem man zuerst einen Mietvertrag für zehn Jahre bekommen hat, wurde der zuletzt nur noch für ein weiteres Jahr verlängert und jetzt eben nicht noch einmal.
Eine Verlängerung des Mietvertrags für wenigstens ein, zwei Jahre erhofft sich Loose. Um etwas Zeit zu gewinnen bei der Suche nach einem neuen Standort. Die Schließung des Zukunft am Ostkreuz wäre aus seiner Sicht aus mehreren Gründen katastrophal.
Einmal natürlich generell: Eine Kulturstätte würde verschwinden. Und weil sie das Konstrukt bedrohen könnte, das in Friedrichshain auch noch weitere Kulturorte unterhält. Kino und Freiluftkino im Zukunft am Ostkreuz werden vom Stammhaus Tilsiter Lichtspiele betrieben. Das hat vor Kurzem auch das traditonsreiche Kino Intimes übernommen, das soeben nach aufwendigen Umbauarbeiten wiedereröffnet wurde. Das Zukunft am Ostkreuz ist innerhalb dieses Geflechts der „größte und umsatzträchtigste Ort“, so Loose.
Vor allem aber befindet sich dort die Brauerei, die zwingend mit zur Mischkalkulation der gemeinschaftlich verbundenen Kulturstandorte gehört. Bier aus der eigenen Brauerei, das vor allem im Tilsiter und im Zukunft ausgeschenkt wird, die beide auch Kneipen sind, gehört mit zum Geschäftskonzept. Nach dem Motto: Wo Filme geschaut und in der Kneipe herumgehangen wird, da wird auch Bier getrunken. Und: Auch wenn mal weniger ins Kino gegangen wird, ordern viele immer noch ein Bier.
Ein Wegfallen der Brauerei, so Loose, wäre deswegen „sehr problematisch“ und „eine Brauerei zu verlagern ist nicht so einfach“. Zudem sei es aus seiner Sicht sehr fraglich, den speziellen Charme des Zukunft am Ostkreuz auch an anderer Stelle erzeugen zu können. Der Ort sei auch deswegen so beliebt, weil er immer noch so leicht unfertig wirke und damit an die mythischen Neunziger in Berlin erinnern würde. „Das kann man nicht woanders so einfach rekonstruieren“, so Loose.
Warum überhaupt gekündigt wurde, das wisse er bislang auch nicht, sagt er. Der Eigentümer habe sich dazu bislang nicht äußern wollen. Er könne nur spekulieren, dass es etwas damit zu tun haben könnte, dass in unmittelbarer Nachbarschaft gerade der gigantische Bürokomplex „Ostkreuz Campus“ hochgezogen wird. Vielleicht habe das den Eigentümer des Geländes, auf dem sich das Zukunft am Ostkreuz befindet, auf den Gedanken gebracht, sich der neuen Umgebung mit eigenen Bebauungsplänen anzupassen.
Was die Pläne rund um den Bau der umstrittenen Autobahn 100 betrifft, die das Zukunft am Ostkreuz außerdem bedrohen könnten, da bleibt Loose ziemlich gechillt. „So weit gucken wir gar nicht in die Zukunft“, sagt er und muss bei seinem Kalauer selbst ein wenig lachen. „Bis die Autobahn fertiggestellt sein wird, das wird dauern, und ob überhaupt, ist aktuell ja auch mehr als unklar.“
Politik schaltet sich ein
Derweil schaltet sich nun auch die Politik ein in den Fall Zukunft am Ostkreuz. Im Stadtentwicklungsausschuss des Bezirksparlaments Friedrichshain-Kreuzberg wurde vor zwei Wochen der Antrag von Julian Schwarze, Fraktionsvorsitzender der Grünen, diskutiert und angenommen. In diesem wird gefordert, den Bebauungsplan für das Areal, auf dem sich das Zukunft am Ostkreuz befindet, zu qualifizieren. Das heißt, dass festgelegt werden soll, was dort gebaut werden darf und was nicht.
Ziel ist es, so Schwarze gegenüber der taz: „In Richtung des Eigentümers zu sagen: Kultur können Sie auf dem Gelände machen – am besten weiter mit dem Zukunft am Ostkreuz. Gewerbe wird dort aber nicht möglich sein.“ Druck soll damit gegenüber dem Eigentümer aufgebaut werden, so Schwarze.
Am 25. August wird über den Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung abgestimmt. Schwarze ist sich sicher, dass er angenommen wird. Und er hat auch noch einen dieser Zukunftskalauer auf Lager: „Wir wollen so die Zukunft in die Zukunft führen.“
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