Friedenssuche in Kolumbien: Waffenstillstand aufgekündigt

Wieder Militär gegen Farc-Dissidenten: Vom „totalen Frieden“, den Kolumbiens Präsident erreichen will, bleibt immer weniger übrig.

Ein Mann mit Uniform und Waffe. Er trägt ein Armband mit den kolumbianischen Farben gelb- blau-rot darauf ist Guevara zu sehen

Während die Rebellengruppe ein Friedensabkommen unterzeichnete, kämpfen Splittergruppen weiter Foto: Imago

Die Ankündigung von Kolumbiens Präsidenten Gustavo Petro, die Militäroperationen gegen die Farc-Dissidentengruppe „Estado Mayor Central“ (EMC) in vier Amazonasregionen wieder aufzunehmen, hat sein Projekt vom „totalen Frieden“ weiter geschwächt. Petro begründete die Entscheidung mit dem Tod von vier indigenen Kindern vom Volk der Murui aus der Amazonasregion Putumayo.

Laut der Ombudsstelle des Volks hatte die Front „Carolina Ramírez“ des EMC die Kinder erst zwangsrekrutiert und sie dann ermordet, weil sie desertiert waren. „Das ist eine schreckliche Tat, die den Friedenswillen in Frage stellt“, hieß es in einer Mitteilung des Präsidialamts. „Für solche Verbrechen gibt es keine Rechtfertigung.“ Sie seien ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht.

Was bleibt jetzt vom „totalen Frieden“, über den die Regierung mit allen verbliebenen Gruppen verhandeln wollte? Das Hauptprojekt des linken Präsidenten Gustavo Petro wird fortgeführt. Denn nach dem historischen Friedensabkommen mit der Farc-Guerilla aus dem Jahr 2017 sind je nach Zählung immer noch 26 bewaffnete Organisationen im Land aktiv.

Ein Abkommen nach dem anderen kippt

Aber von den fünf Waffenstillstandsdekreten mit verschiedenen bewaffneten Gruppen, die die Regierung um die Jahreswende verkündet hatte, existieren nur noch zwei: das mit Segunda Marquetalia (der Farc-Dissidentengruppe um Iván Márquez, die bald nach dem Friedensabkommen enttäuscht zurück in den Krieg zog) und das mit den Autodefensas de la Sierra Nevada. Das bedeutet, dass der Staat offiziell jetzt wieder Militäroperationen gegen die drei größten illegalen Organisationen des Landes unternimmt.

Den beidseitigen Waffenstillstand mit der ELN-Guerilla hatte es nie gegeben, musste die Regierung zum Jahreswechsel einräumen. Den mit der Verbrecherorganisation Golf-Clan kündigte sie im März auf, weil der Golf-Clan in den Regionen weiter mordete und Angst und Schrecken verbreitete, statt Friedenswillen zu zeigen.

Und nun diesen Montag den mit der Farc-Dissidentengruppe EMC. Zumindest teilweise: Denn die Wiederaufnahme militärischer Operationen gilt nur für die Regierungsbezirke Putumayo, Caquetá, Guaviare und Meta – alle in Kolumbiens Amazonasregion. Die Gruppe ist aber noch in weiteren Gegenden aktiv.

Es bestehen Zweifel, ob das Dekret in der Praxis je griff. Der EMC schreibt zumindest in seiner Erklärung, dass der Waffenstillstand stets einseitig gewesen sei – denn die rechten Paramilitärs seien stets aktiv geblieben und Teil staatlicher Politik.

Trotz allem: Die Gespräche sollen weitergehen

Der EMC kritisiert in der Erklärung, die den geplatzten Waffenstillstand bekannt machte, auch den Friedensbeauftragten der Regierung, der die „Kriegsmaschine“ des Staats nicht aufhalte. Die einseitige Aufkündigung werde den Krieg neu entfesseln und zu viel mehr Toten, Verletzten und Gefangen führen.

Der Estado Mayor Central ist eine von zwei großen Dissidenz-Gruppen der ehemaligen Farc-Guerilla. Sie wird von alias Iván Mordisco angeführt. Petros rechter Vorgänger Iván Duque und sein Verteidigungsminister hatten verkündet, Mordisco bei einer Militäroperation getötet zu haben. Doch der Totgesagte sprach Mitte April quicklebendig in San Vicente del Caguán auf großer Bühne beim Treffen der Dissidenz-Gruppe, wo diese ihre Forderungen an die Regierung besprach und ihren Verhandlungswillen erklärte.

Laut der Zeitung El País hatte die Regierung seitdem gute Gespräche mit ihr geführt. Dafür hatte die Regierung ihr extra einen politischen Charakter bescheinigt. Das war eine umstrittene Entscheidung, weil sie die Gruppe damit von den rein kriminellen Verbrecheroganisationen abhebt und Vorteile sichert – obwohl sie sich ähnlich finanziert wie diese. Diese Gespräche will die Regierung fortführen.

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