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Friedensprozess zwischen Türkei und PKKLebenslange Haft für PKK-Mann aufgehoben

Ein türkisches Gericht lässt Bombenbauer Yakup Akkan frei. Steckt dahinter politisches Interesse? Das glaubt zumindest die Opposition.

Zeigt mit dem Finger auf die Strategie der türkischen Regierung: CHP-Chef Özel Foto: Umit Bektas/reuters

Berlin taz | Yakup Akkan, wegen tödlicher Anschläge der PKK verurteilt, kommt nach fast neun Jahren Untersuchungshaft frei. Ein Gericht in Diyarbakır hatte zuvor die vierfach lebenslange Freiheitsstrafe samt 353 Jahren Zusatzhaft gegen ihn aufgehoben. Stattdessen blieb Akkan nur noch wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation zu 15 Jahren verurteilt – genug, um unter Anrechnung der Untersuchungshaft freizukommen.

Die Entlassung sorgt für Empörung – nicht nur bei Angehörigen der Opfer, sondern auch in der Opposition. CHP-Chef Özgür Özel sagte: „Dann soll Herr Devlet Bahçeli (Vorsitzender der rechten Regierungspartei MHP, Anm. d. Red.) mal zu dieser Familie gehen und ihnen diese Situation erklären.“ Gemeint sind die Angehörigen eines der Polizisten, die 2015 bei einem Bombenanschlag in Silvan ums Leben kamen – ein Angriff, für den Akkan mitverantwortlich gemacht wurde.

Am 15. Dezember detonierte damals in der südostanatolischen Stadt eine ferngezündete Bombe neben einem gepanzerten Polizeifahrzeug. Drei Sicherheitskräfte starben, 21 Soldaten wurden verletzt. Ermittlungen ergaben, dass Akkan die Bombe mitgebaut hatte; seine Fingerabdrücke fanden sich auf dem Batterieblock. Vor dem Schwerverbrechensgericht in Diyarbakır wurde er daraufhin als Mittäter zweier Anschläge verurteilt. Das Urteil galt als Symbol für die Härte des türkischen Staates nach dem Scheitern des Friedensprozesses mit der PKK im Sommer 2015.

In der Neuverhandlung argumentierte Akkan nun, er habe die Bombe gebaut, aber nicht gelegt. Er lobte außerdem ausdrücklich das „friedliche Klima“ während des damaligen Friedensprozesses und nannte Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Bahçeli als Initiatoren einer Atmosphäre, die ihn beeinflusst habe. Diese Aussagen sind politisch brisant – insbesondere, weil Bahçeli sich als kompromissloser Gegner jeglicher PKK-Nähe inszeniert.

Der Fall bringt die MHP in Erklärungsnot

Özel kritisierte: Während gegen oppositionelle Bürgermeister mit Korruptionsvorwürfen durchgegriffen werde, kämen Personen mit nachgewiesener Beteiligung an tödlichen Anschlägen frei. Özel forderte erneut die Einrichtung einer unabhängigen parlamentarischen Kommission zur Aufarbeitung des Kurdenkonflikts und seiner juristischen Spätfolgen. Es gebe viele Kategorien – tatsächliche Täter, Mitläufer, politisch Verfolgte – aber ohne Transparenz und klare Kriterien werde das Vertrauen in Justiz und Demokratie weiter erodieren. Die Entlassung Akkans sei ein weiteres Beispiel dafür, wie politische Interessen – Frieden mit der PKK – über rechtsstaatliche Prinzipien gestellt würden.

Der Fall bringt vor allem die MHP in Erklärungsnot: Dass sich ein Ex-PKK-Aktivist ausgerechnet auf Bahçeli und Erdoğan beruft, um mildernde Umstände zu beanspruchen, stellt deren Rhetorik infrage. Erdoğan hat sich bisher nicht geäußert.

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