Frieden mit der PKK: Erdogan will das Volk überzeugen
Die türkische Regierung startet eine Offensive, um ihre Friedenspolitik mit der PKK zu promoten. Auch Gesetzesänderungen zur Aussöhnung soll es geben.

ISTANBUL taz | Mit einem Treffen im Dolmabahce-Palast in Istanbul hat die türkische Regierung am Donnerstag eine Offensive eingeleitet, um ihre Friedenspolitik gegenüber der kurdischen PKK besser zu vermitteln. 63 Prominente aus Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien, handverlesen von Ministerpräsident Tayyip Erdogan, sollen in den nächsten Wochen auf Veranstaltungen und in Gesprächen dem Volk die Friedenspolitik der Regierung schmackhaft machen.
„Natürlich mache ich mit“, sagte der ansonsten unpolitische Orhan Gencebay, eine Pop-Ikone, gegenüber Hürriyet, „ich bin doch Patriot“. Offenbar dachten die meisten der Angesprochenen so, denn Erdogan handelte sich nur wenige Absagen ein.
Die 63 Personen werden nun in sieben Gruppen aufgeteilt, um sieben Regionen der Türkei zu bearbeiten. Ziel der Mission ist es, Fragen und Kritik in der Bevölkerung aufzufangen und den Leuten klar zu machen, warum es jetzt sinnvoll ist, mit PKK-Chef Abdullah Öcalan und seinen Leuten zu reden. In den vergangenen 30 Jahren wurden sie als Terroristen verteufelt.
Neben dieser Offensive will die Regierungspartei AKP im Parlament eine Kommission einsetzen, die die gesetzgeberischen Schritte hin zu einer Aussöhnung mit der kurdischen Minderheit diskutieren soll. Ziel ist vor allem, die parlamentarische Opposition in den Prozess mit einzubinden, ein Schritt, den auch Öcalan gefordert hatte. Dieser Versuch scheiterte zunächst, weil die kemalistisch-republikanische CHP entschied, keine Vertreter zu entsenden.
Die CHP schließt sich selbst aus
Sie erklärte, die Regierung habe sich in den letzten Monaten allen Vorschlägen der Opposition verweigert. Der CHP nahestehende Intellektuelle bedauerten diesen Schritt, weil die CHP sich damit selbst aus dem Prozess ausschließe. Trotz dieser Debatten gehen die Verhandlungen zwischen Regierung und PKK weiter. Am Dienstag war erneut eine Delegation der kurdischen BDP bei Öcalan, um die nächsten Schritte zu beraten.
Um den Rückzug ihrer Kämpfer aus der Türkei abzusichern, fordert die PKK einen Parlamentsbeschluss oder ein Gesetz, das Angriffe auf sie untersagt. Das lehnt Erdogan ab, weil er sich das Heft des Handels nicht aus der Hand nehmen lassen will. Trotzdem hat Öcalan seinen Besuchern eine Botschaft mitgegeben, die Donnerstag in seinem Heimatdorf Ömerli verlesen wurde. Darin heißt es: „Die Chancen für einen ehrenvollen Frieden sind sehr gestiegen. Bald beginnt ein neues Leben.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden