Fridays for Future in der Ukraine: Kiewer Studis mobilisieren
Lorina Fedorova und Artur Sarkisyan haben in der Ukraine eine kleine Klimabewegung aufgebaut. Neben Protesten betreiben sie vor allem Bildungsarbeit.
Als irgendwann im Sommer die Frage aufkam, ob man sich am Internationalen Klimastreiktag am 20. September beteiligen solle, waren Lorina Fedorova und Artur Sarkisyan sofort dabei gewesen. Und jetzt bereiten die beiden 19-jährigen Kiewer Studierenden den internationalen Klimastreiktag am 29. November vor. Sie sind ehrenamtlich bei der ukrainischen Umweltorganisation „Ökodia“ tätig und im Gespräch von einer ansteckenden Fröhlichkeit.
Der Erfolg ihrer Septemberoffensive erstaunte sie selbst am meisten: 2.000 Demonstrierende waren am 20. September auf dem Kiewer Michael-Platz erschienen. Die meisten von ihnen noch keine 20 Jahre alt. Damit war die ukrainische Version von „Fridays for Future“ (FFF) aus der Taufe gehoben.
Inzwischen gibt es in Kiew ein Dutzend regelmäßig Aktive und im ganzen Land rund hundert Leute, die gern auch große Aktionen planen wollen. Doch zunächst haben sie sich zu weniger spektakulären Formen der Öffentlichkeitsarbeit entschieden. „Wir fahren regelmäßig in kleinere Städte im Raum Kiew und sprechen vor Schulklassen über die Klimakatastrophe, über alternative Energien und Massentierhaltung“, sagt Lorina Fedorova.
Man habe es aber auch einfach organisatorisch nicht geschafft, jeden Freitag auf die Straße zu gehen, meint Artur Sarkisyan. Das letzte Mal hat es in Kiew am 1. November geklappt. Gerade im studentischen Milieu sei die Fluktuation unter Aktivist!nnen besonders hoch. Einige zögen um, andere wechseln in das Berufsleben. „Und wieder andere haben einfach nach einer gewissen Zeit Umweltaktivismus Burnout.“
Klima nicht die größte Sorge
Zwar könne inzwischen jeder Mensch in der Ukraine von den Gefahren des Klimawandels wissen, sagt Fedorova. Doch werde es nicht als vorrangiges Problem gesehen. „Wenn wir auf der Straße sind, erklären uns die Passanten, dass ihnen die wirtschaftliche Entwicklung und der Krieg im Osten am meisten Sorgen machen.“ Dabei ist die Klimakrise längst auch in der Ukraine angekommen. Noch nie seien die Sommer so besonders heiß gewesen, wie in den vergangenen Jahren, meint Sarkisyan.
Fast gleichzeitig antworten die beiden Studierenden auf die Frage, wer oder was sie zu Fridays for Future geführt habe – „Greta“. Diese junge Frau habe sie mitgerissen, ihnen gezeigt, dass man nicht aufgeben darf, man offensiv die Klimafrage angehen müsse.
Trotzdem: Auch wenn niemand in der Ukraine die Aktionen von FFF kritisiert, so richtig ernst genommen fühlen sich die Aktivist!nnen nicht. Gleich nach der Klimademonstration im September hatte Olexi Orschel, FFF gelobt: „Ihr seid superklasse!“, sagte der ukrainische Minister für Energie und Umweltschutz und sicherte ihnen neben seiner persönlichen Unterstützung zu, dass er sich für die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien einsetzen werde.
„Wir machen weiter so“
„Doch diesen schönen Worten sind bisher keine Taten gefolgt“, sagt Fedorova. Sie ärgert sich aber vor allem darüber, dass Minister Orschel immer wieder lobend hervorhebt, dass auch die Ukraine das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet habe. „Dieses Abkommen“ so Fedorova, „verlangt von der Ukraine, den CO2-Ausstoß auf den Stand von 1990 zu reduzieren. Wir sind aber schon wegen der angespannten wirtschaftlichen Situation auf einem Stand von 1990“. Die Worte des Ministers bedeuteten also nichts anderes als „Wir machen weiter so“.
Sie streiken: Die Temperaturen steigen. Der Meeresspiegel auch. „Fridays for Future“ ruft am 29.11. zum Klimastreik. Samstag protestiert „Ende Gelände“ gegen den Braunkohleabbau. Und am 2.12. beginnt die UN-Klimakonferenz.
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Am 29. November will FFF „auf jeden Fall vor dem Regierungsgebäude demonstrieren“ erklärt Artur Sarkisyan. Verschiedenen Studien zufolge könne die Ukraine sich bis 2050 zu fast 100 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgen – „wenn der politische Wille da wäre“. Bis es den gibt, werde man immer wieder vor Regierungsgebäuden für erneuerbare Energien, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, gegen Plastik und gegen die Subventionierung der Massentierhaltung demonstrieren, so Sarkisyan.
Laut der Facebook-Seite der ukrainischen FFF werden in Kiew, Odessa und Iwano-Frankiwsk am 29. November Jugendliche klimastreiken. Doch Fedorova und Sarkisyan gehen davon aus, dass auch in vielen weiteren ukrainischen Städten am 29. November Jugendliche für ihre Zukunft auf die Straße gehen werden.
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