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Freundschaftsdienste in der UrlaubszeitDie Blumen der Anderen

Freundschaften wollen gepflegt sein, Balkonpflanzen auch. Der eine bekommt leuchtende Augen, wenn er in Vertretung gießen soll, die andere Panik.

Die Blumen der Nachbarn gießen kann eine Last oder eine Freude sein Foto: Gaby Wojciech/imago

G ießen? Na klar!

Sommerabend. Der Rosmarinduft. Die sich ausbreitende Kühle beim Gießen. Das meditative Abknipsen verblühter Löwenmäulchen-Mäulchen. Der Urlaub der Freun­d:in­nen ist für den daheim in der Großstadt gebliebenen Pflanzenfreund eine Chance, endlich mal wieder seinen grünen Daumen zu trainieren. Der Dachterrassen-Freundschaftsdienst bietet ihm auch selbst Urlaubsmomente.

Das eigene Balkönchen hat ja leider kaum Platz für Flora und ist so schattig, dass außer Efeu nichts überlebt. Für ein langfristiges Engagement in einem Gemeinschaftsgarten ist keine Zeit in seinem Alltag. Der auf Ackerland gewachsene Pflanzenfreund unterschätzt die Arbeit nicht, die grüne Lebewesen machen. Als sich während der Pandemie immer mehr absolute Greenhorns auf die Schrebergarten-Listen setzen ließen, sah er das Elend verdorrter Tomatenstauden und Sonnenblumen schon vor sich. Die Stadt wird ja immer heißer, der Aufwand wird mehr. Der Pflanzenfreund plädiert bei der Zier- und Nutzpflanzenhaltung für eine strenge Eignungsprüfung.

Seine Freun­d:in­nen begrünen eine versiegelte Fläche, ihre Dachterrasse, und sind sehr gewissenhaft, was ihre photosynthetischen Schützlinge angeht. Deshalb fragen sie ja auch ihn, wenn es um die Urlaubsvertretung geht. Er übernimmt sie gern, füllt jeden Abend mehrmals die große Gießkanne in der Badewanne und hört dabei „Kaltes, klares Wasser“ von Malaria. Auf dem Weg zur Terrasse schaut er, was sich im Bücherregal getan hat.

Er hat einen kleinen Thymianstock und ein Bierchen mitgebracht, und nachdem der Neuling gepflanzt und die Funkien, Geranien und Johannisbeeren gewässert sind, genießt er einen still-zufriedenen Moment im geliehenen Dachgartenreich. Zwei Wochen radelt er abends andere Wege, in einen anderen Stadtteil. Sein Blick fällt auf erholsames Grün und auf andere Nachbar:innen. Work and travel, quasi. Stefan Hunglinger

Balkonpflanzen? Nie wieder!

Die Sehnsucht nach einem schön bepflanzten Balkon ist das, was Menschen in großen Städten verbindet. Die Urlaubszeit erscheint da wie eine Win-win-Situation, auch Menschen ohne grünen Daumen haben die Chance, einen Ferienbalkon zu ergattern. Also Leute wie ich. Für die Pflanzen ist das keine gute Nachricht.

Botaniker wissen, was sie können, Laien neigen zur Selbstüberschätzung. Schon bei der Schlüsselübergabe überkommt einen ein mulmiges Gefühl angesichts der duftenden Blütenpracht auf dem Balkon und den zig Zimmerpflanzen in der Wohnung, die einem vorher noch nie so richtig aufgefallen sind. Das ist eine ganz andere Liga als der Gummibaum, den man mal betreut hat.

Dummerweise hat man gleich für drei Balkone die Ferienpflege zugesagt. Dazu kommt das Füttern einer Katze und eine Meerschweinchenbetreuung. In Zeiten des Klimawandels keine gute Idee, Hitzestress gefährdet Pflanzen, aber auch Meerschweinchen. Pflanzen leiden still, Meerschweinchen quieken, und die Stillen übersieht man schnell. Also verbringt man viel Zeit mit den Tieren und wenig auf den Balkonen.

Man redet sich die Lage schön. Sterben Pflanzen nicht meist durch Übergießen? Könnte das Braun der Blätter sich bei Tageslicht nicht als sattes Grün entpuppen? Kurz vor der Rückkehr der Urlauber herrscht nackte Panik. Zum Glück ist die Verkäuferin im Blumenladen Profi, nach Sichtung der Handyfotos wirkt sie schnell wieder gefasst. „Gute Freunde?“, fragt sie taktvoll. Ich verlasse den Laden mit einigen Ersatzpflanzen, die – sehr authentisch – eher mickrig ausfallen. Beim Rest hilft nur beichten.

Die Rückkehrer tragen es mit Fassung, immerhin haben ein paar ihrer Lieblingspflanzen überlebt. Gießdienste übernehme ich seitdem nicht mehr. Die Sehnsucht nach dem Ferienbalkon ist zwar immer noch da, aber Freundschaftspflege ist wichtiger. Martina Mescher

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Stefan Hunglinger
Redakteur im Politik-Team der wochentaz. Schreibt öfter mal zu Themen queer durch die Kirchenbank. Macht auch Radio. Studium der Religions- und Kulturwissenschaft, Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule. Mehr auf stefan-hunglinger.de
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