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Freihandelsabkommen CetaFreie Hand für Änderungen?

Das Ceta-Abkommen könnte nachträglich erweitert werden – am Parlament vorbei. Die Regierung sieht das mal als Problem, mal nicht.

Gemeinsam gegen Ceta und TTIP. Am Samstag soll in Berlin demonstriert werden Foto: dpa

Berlin taz | Das umstrittene Freihandelsabkommen Ceta, das die EU mit Kanada abschließen will und gegen das an diesem Samstag mehrere 10.000 Menschen in Berlin demonstrieren wollen, hat möglicherweise sehr viel weitergehende Folgen als bisher bekannt. Davor warnen Grüne und Linke im Bundestag unter Bezug auf ein völkerrechtliches Gutachten. Die Bundesregierung reagiert widersprüchlich auf die Frage, ob sie diese Einschätzung teilt.

Das fertig verhandelte Ceta-Abkommen, das als Vorbild für das zwischen der EU und den USA geplante TTIP gilt, enthält eine Reihe von Ausnahmen, für die keine Liberalisierungspflicht gelten soll. Dazu gehören etwa öffentliche Dienstleistungen im Bildungs- und Kulturbereich sowie Umweltdienstleistungen, zu denen die Wasserversorgung gehört. Geregelt werden solche Ausnahmen in Anhängen zum eigentlichen Vertragstext.

Doch diese Anhänge können später möglicherweise ohne parlamentarische Kontrolle geändert werden, warnt ein Rechtsgutachten der Universität Göttingen (PDF), das im Auftrag der Arbeiterkammer Wien erstellt wurde. Denn Ceta ist – wie auch das Pendant TTIP – als „lebendiges Abkommen“ definiert: Nach der Ratifizierung tagt regelmäßig der sogenannte Hauptausschuss, in dem Vertreter von EU-Kommission und kanadischer Regierung sitzen.

Und dieses Gremium hat weitreichende Kompetenzen, schreiben die Gutachter. „Durch den Hauptausschuss können völkerrechtlich verbindliche Entscheidungen getroffen werden“, heißt es. „Davon umfasst sind auch Änderungen der Anhänge, Anlagen, Protokolle und Anmerkungen.“ Das EU-Parlament müsse solchen Änderungen nicht zustimmen.

Zwar sei der vorliegende Vertragstext „sehr schlecht formuliert“ und darum in dieser Frage teilweise widersprüchlich, sagte der Völkerrechtler Till Patrik Holterhus als einer der Autoren des Gutachtens der taz. „Aber diese Unklarheit bietet ein Missbrauchspotenzial.“

Daseinsvorsorge sichern

Die Oppositionsfraktionen von Grünen und Linken im Bundestag sind darum alarmiert. „Für einen so sensiblen Bereich wie die kommunale Daseinsvorsorge muss absolute Rechtssicherheit herrschen“, sagt die kommunalpolitische Sprecherin der Grünen, Britta Haßelmann. Die Bundesregierung müsse alles daran setzen, „dass die Daseinsvorsorge nachhaltig gesichert ist“. Mit Anfragen haben beide Parteien beim zuständigen Bundeswirtschaftsministerium um eine Einschätzung zum brisanten Gutachten gebeten.

Die Antworten aus dem Ministerium unter Leitung von SPD-Chef Sigmar Gabriel fielen dabei extrem widersprüchlich aus. Am 10. September schrieb Staatssekretärin Brigitte Zypries an die Linksfraktion, der Hauptausschuss habe „keinerlei Befugnis“, verbindliche Änderungen am Vertrag vorzunehmen: „Er kann lediglich Empfehlungen an die Vertragsparteien aussprechen.“ (PDF des Schreibens)

Es muss absolute Rechtssicherheit herrschen

Britta Haßelmann, Grüne

Bei einer mündlichen Befragung im Bundestag durch die Grünen klang das zwei Wochen später ganz anders. Da sprach Zypries von einer „möglicherweise missverständlichen Passage“, die im Rahmen der letzten Überarbeitung, der sogenannten Rechtsförmlichkeitsprüfung, noch „angepasst“ werden solle.

Auf eine schriftliche Nachfrage hin, ob Deutschland den Vertrag ablehnen werde, falls diese Änderung nicht durchsetzbar sei, ruderte das Ministerium wieder zurück: Am 1. Oktober erklärte Staatssekretär Uwe Beckmeyer, der Ausschuss habe „nach dem Verständnis der Bundesregierung [...] keine generelle Möglichkeit für die Änderung sämtlicher Anhänge“. Spätere Anpassungen könne er nur in einem eng definierten Rahmen vornehmen.

„Der Vertrag ist ein Abgesang auf die Demokratie“

Auch auf taz-Anfrage erklärte das Wirtschaftsministerium, die hauseigenen Juristen teilten die Einschätzungen der Göttinger Gutachter nicht. Es sei „sichergestellt, dass der Ceta-Hauptausschuss keine bindenden Entscheidungen, sondern nur Empfehlungen ausspricht“. Diese würden nur verbindlich, wenn beide Vertragsparteien „nach ihren jeweiligen internen Vorschriften und Verfahren zugestimmt haben“. Andernfalls würde die Regierung dem Abkommen nicht zustimmen, schreibt das Ministerium.

Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst hält die Widersprüche für inakzeptabel. „Minister Gabriel eiert rum und wirft die Nebelkanone an.“ Für ihn steht fest: „Der Vertrag ist ein Abgesang auf die Demokratie.“

Auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch warnt davor, dass die geplanten Freihandelsabkommen die Demokratie aushöhlten. „Ohne jede parlamentarische Kontrolle könnten Technokraten und Beamte in Zukunft über weitreichende Regulierungsvorhaben entscheiden“, kritisierte Foodwatch-Expertin Lena Blanken.

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