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Freier Fall

Kai-Uwe Holsten inszeniert am Ernst-Deutsch-Theater Thomas Bernhards „Der Theatermacher“. Ein Interview

„Der einzige Reiz an dir ist der Hustenreiz.“ Nirgendwo wird so herzzerreißend geschimpft und gefrotzelt wie bei Thomas Bernhard. Die Übertreibung ist Bernhards zentrales Stilmittel. Nicht selten lösten seine Stücke Skandale aus, in deren Verlauf sich Politiker zur Ehrenrettung des Landes genötigt sahen. Und jetzt soll sich ein Stück des Österreichers, der immer wieder Kleinbürgerlichkeit und Geschichtsverklärung vorführt, in den Spielplan des gediegenen Ernst-Deutsch-Theaters geschlichen haben?

Ja. Für die erste Thomas-Bernhard-Inszenierung am Ernst-Deutsch-Theater fiel die Wahl auf Der Theatermacher von 1984, mit dem Bernhard-erprobten Wolfgang Hübsch, der die Zuschauer stoisch beschimpft, in der Titelrolle. Das Stück um den ehemaligen Staatsschauspieler Bruscon erschließt sich langsam. Je persönlicher der Affront im Text empfunden wird, desto stärker der Effekt. Über die Inszenierung am Ernst-Deutsch-Theater sprach taz hamburg mit Regisseur Kai-Uwe Holsten.

taz hamburg: In der Ankündigung zum Stück heißt es, es sei eine Liebeserklärung an das Theater. Können Sie das erläutern ?

Kai-Uwe Holsten: Das Stück handelt von der Liebe zum Theater: Der ehemalige Staatsschauspieler Bruscon, der, weil er unbedingt spielen will, mit seiner Familie als Ensemble und einem selbstgeschriebenen Stück durch die Dörfer auf Tournee geht und gegen die Sinnlosigkeit des Lebens spielt.

Wie gehen Sie mit den anderen Komponenten um, die im Stück angelegt sind: Bernhards Hass auf das kleinbürgerliche Österreich, Bruscons Chauvinismus?

Die Stellen über Österreich haben wir gestrichen. Das Stück ist von 1984. Heute haben wir 2002 und sind in Hamburg. Die Österreich-Kritik erschien uns nicht interessant; sie hat keinen Unterhaltungs- und Erkenntniswert. Das Stück ist auf Unterhaltung und Bruscons Größenwahn hin geschrieben.

Bruscon sagt an einer Stelle, er wäre gerne Wirt geworden, so wie jener Wirt im Stück, der das verstaubte Hitler-Bild seit 40 Jahren in seinem Wirtshaus hängen hat. Kann man solche Anspielungen unterhaltsam inszenieren?

Natürlich wird im Stück auch der unterschwellige Faschismus behandelt, aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger. In Bruscons Theaterstück Das Rad der Zeit wird Hitler nicht exponiert, sondern mit Metternich und Churchill parallel behandelt, auf einer Stufe sozusagen.

Was interessiert Sie also am „Theatermacher“?

Die Fallhöhe vom großen Staatstheater-Schauspieler zum Dorfschauspieler mit Laienspieltruppe, Höhen und Tiefen. Wie realisieren wir unsere Träume und schützen uns vor dem Scheitern an unseren eigenen Ansprüchen? Doch die Perfektion, die Bruscon anstrebt, sein überhöhter Anspruch an sich selbst und seine Schauspieler werden hier nicht eingelöst. Und dieses Scheitern zu ertragen, da hilft nur Humor, Lachen.

Interview: Christian T. Schön

Premiere: heute 19.30 Uhr, Ernst-Deutsch-Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1; bis 29. Juni

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