Freie-Wähler-Chef über Bayernwahl: „Die CSU muss mit uns regieren“
Hubert Aiwanger rechnet fest damit, künftig der zweite Mann im Freistaat zu werden. Markus Söder werde ihm bestimmt ein Koalitionsangebot unterbreiten.
taz: Und? Gibt’s jetzt Freibier für alle, Herr Aiwanger?
Hubert Aiwanger: Nein, Bier nicht, aber so manche Befreiung für die Bürger wird es schon geben. Zunächst einmal wollen wir sie von den Kita-Gebühren befreien. Das ist unsere nächste große Befreiungsaktion nach den Studiengebühren und den Straßenausbaubeiträgen.
Aber die CSU hält Ihnen doch immer Freibiermentalität vor?
Ich muss zugeben: Mit Freibier kennt sich die CSU aus. Früher haben sie damit Wahlen gewonnen. Dann haben sie aufgehört, Freibier auszuschenken – und schon haben sie verloren.
Und sie als Koalitionspartner gewonnen?
Hubert Aiwanger ist Vorsitzender des Bundesverbandes Freie Wähler, Landesvorsitzender der Freien Wähler in Bayern sowie Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag.
Zumindest ist die Ausgangslage für eine bürgerliche Zweierkoalition optimal. Die habe ich ja seit Monaten auch vorausgesagt. Ich war immer der Meinung, dass es auch ohne die FDP reichen wird. Das ist jetzt offenbar der Fall. Jetzt muss die CSU mit uns regieren. Was sollte es da für eine andere Möglichkeit geben?
Naja, Schwarz-Grün.
Nein, mit den Grünen kann uns die CSU nicht erpressen. Die sind so weit auseinander, das kann doch nicht funktionieren.
Eventuell könnte es sogar mit der SPD reichen.
Mit der SPD? Na, dann viel Spaß! Nein, ich bin da sehr gelassen. Söder wird's mit uns machen, er wird's bürgerlich machen.
Der Münchner Merkur schreibt, Sie hätten am Abend schon geheime Absprachen mit Markus Söder getroffen.
Geheim war da gar nichts. Er ist mir im Landtag mehrfach in die Arme gelaufen. Und er stand in zwei Podiumsrunden neben mir. Das war alles ganz öffentlich. Und da hat er ja auch durchblicken lassen, dass ihm eine bürgerliche Koalition das Liebste wäre. Und jetzt macht er wohl heute seine Vorstandssitzung, und dann werden die sich bei uns melden. So schätze ich das ein.
Empfohlener externer Inhalt
So ganz einfach wird es aber trotzdem nicht werden. Wo sehen Sie die größten Knackpunkte für eine Koalition mit der CSU?
Zunächst einmal ist da die Frage, ob die CSU wirklich bereit ist, sich politisch zu öffnen. Wir fordern ja als Freie Wähler regelmäßig auch Arbeitsgespräche mit den anderen Landtagsparteien, um deren Themen ernstzunehmen. Wir haben zehn Jahre lang selber miterlebt, wie die Opposition von der CSU immer ausgebremst wird und wie bitter das ist, wenn auch gute Themen nicht ernstgenommen werden. Ich will hier einen anderen Regierungsstil, der viel mehr integriert.
Ihr großer Vorteil ist ja: Anders als Grüne und SPD haben Sie keine Vorbehalte gegen Markus Söder. Sie schrecken vor nichts zurück oder?
Doch, vor einigen Dingen schon. Ich habe Söders unüberlegte Aktionen schon immer in die Schranken verwiesen. Auch seine übertriebenen Großprojekte werden wir ihm künftig nicht durchgehen lassen. Denken Sie nur an das Weltraumprogramm, die Bavaria One! Mich stört es auch, wenn Söder ohne jede Rücksprache eine bayerische berittene Polizei ausruft oder eine Grenzpolizei verkündet. Da muss man schon vorher mit den Betroffenen reden. Das ist kein Regierungsstil. Solche Manöver werden wir nicht dulden.
Empfohlener externer Inhalt
Wenn es nun tatsächlich zur schwarz-orangefarbenen Koalition kommt: Welches Ministerium hätten Sie denn gern?
Hört sich an wie: „Welches Schweinderl hätten S’ denn gerne?“ – wie bei Robert Lemke. Wir wollen natürlich das Thema Heimat im weitesten Sinne politisch beackern. Dabei müssen wir Bayern ganz neu denken – von der Fläche her. Da ist in den letzten Jahren nicht viel vorwärts gegangen. Wir müssen den ländlichen Raum stärken, um die Städte zu entlasten. Da geht es um schnelles Internet, aber auch um die Energiewende und den Erhalt der Landwirtschaft. Das müssen wir neu justieren.
Sprich: Sie würden gern Heimatminister werden?
Auf alle Fälle das Thema beackern, ja!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé